Wie Tau im Wuestensand
1
»Komm schon, Shannon. Lächle mich an, so
als ob ich dein Liebhaber wäre. Du weißt doch, was ein Liebhaber ist, nicht
wahr, bester Schatz?«
Holly Shannon verkniff sich eine
Antwort und zeigte verführerisch ihre Zähne, so, wie sie es gelernt hatte.
Jerry war zwar der begehrteste Modefotograf
außerhalb von Paris, besaß aber leider einen schlüpfrigen Charakter. Holly
hatte sein Angebot abgelehnt, mit ihm ins Bett zu gehen. Unter dieser Kränkung
litt ihre Zusammenarbeit seither.
Zwei schwitzende Techniker hielten
einen beweglichen Metallbogen hoch, der das Blitzlicht reflektierte und auf
Hollys Gesicht warf.
»Schon etwas besser, aber noch lange
nicht gut genug«, mäkelte Jerry. »Ich weiß ja, daß du vom Halse abwärts betrachtet
ein Eisberg bist, aber dieses Geheimnis wollen wir mal schön für uns behalten,
meine Süße.«
Holly senkte die Lider, bis von
ihren ungewöhnlichen, goldbraunen Augen unter den schwarzen Wimpern nur noch
ein Glitzern zu sehen war. Das lange Haar fiel ihr wie dunkle Kaskaden über
ihre bloßen Schultern und Oberarme. Ihr Lächeln wurde nun breiter, doch
keineswegs liebenswürdiger.
Jerry seufzte.
Holly wartete regungslos. Auf ihrer
gewölbten Stirn kringelten sich unter dem dünnen Schweißfilm ein paar Haarsträhnen
zu Löckchen. Diese Stirn und ihre hohen Wangenknochen hatten ein junges
Mädchen namens Holly North in Shannon, ein international bekanntes Fotomodell,
verwandelt.
»Jetzt einen Schmollmund«, forderte
Jerry. »Richtig viel Lippen, die nur darauf warten, geküßt zu werden.«
Holly kam der Anweisung nach.
»Dreh dich nach links«, blaffte
Jerry sie nun an. »Dein Haar muß fliegen. Jeder Mann soll bei diesem Bild den
Wunsch verspüren, daß die Haare seine nackte Haut berühren.«
Holly bewegte sich mit jener Grazie,
die ebenso Teil ihrer Persönlichkeit waren wie die langen Beine und der
sportliche Körper.
Die für andere zermürbende Hitze
wirkte auf sie wie ein guter Wein. Sie war in Palm Springs aufgewachsen und
hatte dort die endlosen, sengenden Sommer verlebt. Die Sonne der Wüste, die den
meisten so zusetzte, ließ sie erst richtig aufblühen.
Eine leichte Röte schimmerte unter
ihrer Haut und verriet etwas von ihrer inneren Glut. Es war eine Glut, die nur
ein einziger Mann jemals zu spüren bekommen hatte.
Lincoln McKenzie.
Denk nicht an ihn, ermahnte sich Holly automatisch. Das
tut dir nur weh.
Doch obwohl sie jeden Gedanken an
Linc verbannen wollte, gelang ihr das nicht. Ihr Gefühl von Sommer in Palm
Springs war einfach zu lebendig. Sie hatte schon immer Schwierigkeiten bei der
Vorstellung gehabt, sich selbst in New York oder Paris, in Hongkong, London
oder Rom zu befinden, während Lincoln McKenzie auf der anderen Hälfte des
Erdballs durch die Mittagshitze ritt.
Holly wußte, daß Linc hier in der
Nähe wohnte. So nah sogar, daß sie ihn fast körperlich spürte. Er war Teil der
Wüste und ebenso stattlich wie die Berge, die sich majestätisch gleich hinter
der Stadt erhoben.
Die Erinnerung an Linc ließ ihre
Haut erglühen, als ob sie der Sonne ausgesetzt wäre.
Mit neun Jahren bereits hatte sie
Linc angebetet, als er, sieb zehnjährig, eines der Araberpferde ritt, die
seine Familie züchtete. Ihr allererstes Zusammentreffen war ihr heute noch so
gegenwärtig, daß sie nach wie vor den Geruch von Salbei und Staub in der Nase
hatte. Sie erinnerte sch an Lincs breites Lächeln, an seine braunen Augen, an
die weichen Nüstern des Pferdes und ihren eigenen Herzschlag, als sie sich ihm
in den Weg gestellt und zu ihm aufgeschaut hatte.
»Prima!« sagte Jerry. »Weiter so!
Und jetzt über die Schulter. Beweg dich. Schneller! Noch einmal. Und noch
einmal! Und noch einmal!«
Holly kam es vor, als wehte der Wind
sie in die Vergangenheit. Sie drehte sich und wirbelte herum, während sie sich
der Hitze der Wüste und ihren Erinnerungen an einen Mann hingab.
Sie konnte weder den Tag noch den
Monat benennen, in dem ihre Verliebtheit sich in ein anderes, tieferes,
glühenderes Gefühl verwandelt hatte. Obwohl die Ranchs ihrer jeweiligen
Familien aneinandergrenzten, unterhielten die Norths und die McKenzies keinen
Kontakt.
In ihren Teenagerjahren begegnete
Holly Linc häufig bei Pferderennen, Verkaufsveranstaltungen und beim Einreiten.
Und mit jedem Treffen verfiel sie ihm noch ein kleines bißchen mehr.
Jedesmal jedoch bedrückte es sie,
daß Linc sie gar nicht zu bemerken schien.
»Ja, gut so«, murmelte Jerry. »Und
jetzt ein bißchen
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