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07 Von fremder Hand

07 Von fremder Hand

Titel: 07 Von fremder Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
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Menschen - wie Nick Carlisle nur zu gut wusste. Er war wegen des Festivals hierher gekommen, mit dem ursprünglichen Plan, sich ein paar Monate frei zu nehmen und ein bisschen von der Welt zu sehen, nachdem er sein Studium an der Universität von Durham mit einem Einserexamen in Philosophie und Theologie abgeschlossen hatte. An einem milden Abend Ende Juni war er auf der Straße von Shepton Mailet nach Glastonbury um eine Kurve gebogen und hatte die große konische Erhebung des Tor erblickt, die aus der Ebene emporragte, gekrönt von dem gedrungenen St. Michaels Tower, der sich gegen den blutroten Himmel im Westen abhob.
      Das war vor mehr als einem Jahr gewesen, und er war immer noch hier. Für wenig mehr als den Mindestlohn arbeitete er in einem New-Age-Buchladen gegenüber der Abtei, lebte in einem Wohnwagen auf einem Feld bei Compton Dundon - und versuchte alles zu vergessen, was er hinter sich gelassen hatte.
      Oft schaute er nach der Arbeit auf ein Bier im George & Pilgrims vorbei. Ein feiner Zustand war das, mit einem Pub als zweitem Zuhause, aber der Wohnwagen zählte ja auch nicht wirklich - dort konnte er gerade mal die verwaschenen Jeans, T-Shirts und Sweatshirts unterbringen, die seine bescheidene Garderobe ausmachten, und die Bücher, die er aus Durham mitgebracht hatte. Der kleine Kühlschrank roch nach saurer Milch, und der Gaskocher mit den zwei Kochringen war ebenso launisch wie seine Mutter.
      Bei dem Gedanken an seine Mutter verzog er das Gesicht. Elizabeth Carlisle hatte ihren Sohn seit seiner frühesten Kindheit allein großgezogen und sich nebenher eine erfolgreiche Karriere als Autorin von Familiensagas aufgebaut, die in Nordengland spielten. Sie managte das Leben ihres Sohnes ebenso effizient wie das ihrer Romanfiguren und reagierte dann beleidigt, als er seinem Unmut Luft machte.
      Die Art, wie seine Mutter sich in Dinge eingemischt hatte, für die er nur selbst verantwortlich war, hatte ihn auf die Palme gebracht, und er war zu der Überzeugung gelangt, dass er sein Leben sehr wohl auf die Reihe bringen könnte, wenn er nur erst ihrem Dunstkreis entkommen wäre. Aber die Freiheit erwies sich nicht als das erwartete Allheilmittel: Er wusste noch ebenso wenig wie vor einem Jahr, was er mit seinem Leben anfangen sollte. Er wusste nur, dass ihn irgendetwas in Glastonbury festhielt, und doch glühte er vor ruheloser und ungenutzter Energie.
      Von seinem Ecktisch aus ließ er, während er sein Bier trank, den Blick über die Kundschaft des Pubs schweifen. An diesem Abend hatten sich einige Yuppies in das Lokal verirrt, junge Männer in schicken Designeranzügen, begleitet von gestylten Mädchen in knapper Garderobe. Nick spürte geradezu die kollektive Missbilligung der Stammgäste, die sich in instinktiver Solidarität um die Theke geschart hatten.
      Eines der Mädchen warf ihm einen Blick zu und lächelte. Nick wandte sich ab. Mädchen - das waren Raubkatzen mit Make-up und eng anliegenden Klamotten, die einem nichts als Ärger einbrachten. Zuerst gefiel ihnen sein Äußeres, und dann, sobald sie herausfanden, wer seine Mutter war, wollten sie sich nur noch von ihm aushalten lassen. Aber er hatte seine Lektion gründlich gelernt, und er würde nicht noch einmal in diese Falle tappen.
      Er wandte der Gruppe den Rücken zu, und nun war es der Mann, der allein am Ende der Theke saß, der seine Aufmerksamkeit fesselte. Er fiel ihm nicht nur durch seine Größe und sein hellblondes Haar auf, sondern auch durch sein vertrautes Gesicht. Nick hatte ihn schon oft in der Magdalene Street gesehen - er musste in der Nähe des Buchladens arbeiten -, und ein- oder zweimal hatten sie einander freundlich zugenickt. Heute Abend saß er tief über sein Glas gebeugt da, und seine sonst so freundliche Miene war einem finsteren Blick gewichen.
      Neugierig beobachtete Nick ihn dabei, wie er offenbar irgendetwas auf einen Notizblock schrieb oder zeichnete, während er sich alle paar Augenblicke mit sichtlich zitternden Fingern eine Haarsträhne aus der Stirn strich.
      Als Nick zur Theke ging, um sich ein neues Bier zu holen, waren die Augen des blonden Mannes starr auf sein Glas gerichtet. Den Stift hielt er dicht über den Block, zum Schreiben bereit. Nick warf einen verstohlenen Blick auf das Papier. Darauf waren sorgfältige architektonische Zeichnungen zu sehen; quer über die größte der Skizzen aber waren einige Zeilen geschrieben, offensichtlich auf Latein. Für meine Sünden hat

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