070 - Der Galgenbaum im Jenseits
auf dich hören sollen«, sagte Higgins kleinlaut. »Es war verrückt von mir, vorzuschlagen, diese Insel zu betreten.«
»Ich bin froh, daß du das endlich einsiehst. Laß uns abhauen.«
»Ja.«
Doch das Abenteuer war noch nicht zu Ende, wie sich eine Sekunde später herausstellte. Yamma wollte sie immer noch für ihren Frevel bestrafen.
Holz knirschte, krachte und splitterte. Die steinerne Faust des lebenden Felsens bahnte sich ihren Weg durch die üppige Natur. Kein Hindernis mochte sie aufzuhalten.
Tom Bellwood sah die graue Steinfaust durch das Dickicht brechen, riß entsetzt die Augen auf und brüllte: »Nichts wie weg!«
***
Roxane, die Hexe aus dem Jenseits, saß auf einem Stein und aß. Seit Atax, die Seele des Teufels, und die Hexe Cuca sie nach Coor entführt hatten, bekam sie nichts anderes als die Wurzel des Teufelskrauts zu essen.
Anfangs hatte diese einseitige Ernährung sie geschwächt, doch nun stärkten die Wurzeln die Zauberin Arma, die sich seit längerem in ihrem Körper befand.
Angefangen hatte es damit, daß der Silberdämon Metal sie entführte und ihr den Höllennektar zu trinken gab, worauf sie sich zu verändern begann und allmählich zu Arma wurde.
Diese Veränderung hätte sich fortgesetzt, wenn sie den Höllennektar weiter getrunken hätte, doch sie wurde von Metal getrennt und kehrte als eine Art Zwitterwesen auf die Erde zurück.
Zwei Todfeindinnen in einem Körper… Die eine behinderte die andere, so daß keine ihre Fähigkeiten entfalten konnte.
Und dann kam es zur zweiten Entführung. Atax wußte zwar nicht, wie man den Höllennektar braute, aber ihm war bekannt, daß die Teufelskrautwurzel eine ähnliche Wirkung hatte.
Die innere Verwandlung schritt nur etwas langsamer fort. Aber dennoch war deutlich zu erkennen, daß Arma mehr und mehr die Kontrolle über den Gastkörper übernahm.
Und nun stand ihre totale Umwandlung kurz bevor. Roxane sah nur noch wie Roxane aus - schlank, schön, mit grünen Augen und langem kohlschwarzem Haar. Aber innerlich war sie bereits zu neunundneunzig Prozent die Zauberin Arma.
Wenn die hundert Prozent erreicht waren, würde Roxane im Todessee, zu dem sie unterwegs waren, ein Bad nehmen, das Zauberwasser dieses Sees würde Roxane töten, und den Fluten würde ein anderes Mädchen - braunäugig, mit kupferfarbenem Haar - entsteigen: die gefährliche Zauberin Arma.
Ihr gefiel es, Roxanes Körper zu peinigen. Allmählich stellten sich ihre Kräfte wieder ein. Ganz würde sie darüber aber erst verfügen können, wenn sie auch wieder ihren eigenen Körper hatte.
Roxane zuckte schmerzhaft zusammen und stöhnte, und Arma freute sich diebisch darüber, ihr wehgetan zu haben. Gierig aß Arma die Wurzel, denn dadurch konnte sie auch den letzten Rest von Roxane aus dem Körper vertreiben.
Atax, in der Gestalt eines Menschen, trat zu ihr. Sie blickte zu ihm auf. Seit Tagen gab es zwischen ihr und Cuca Reibereien. Die Hexe wollte sich damit nicht abfinden, daß sie erst nach Arma kam.
Sie hatte deshalb sogar versucht, Arma zu töten, doch es war ihr nicht gelungen, und Atax hätte sie danach beinahe umgebracht. Seitdem ging sie Arma tunlichst aus dem Weg.
Sie hätte sich am liebsten von Atax und Arma getrennt, doch dazu hätte sie die Erlaubnis des Dämons gebraucht, und die hätte sie nicht bekommen.
Solange sie für Atax von Wert war, würde sie bei ihm bleiben müssen. Und bald würde sie gezwungen sein, zu gehorchen, wenn ihr Arma etwas befahl. Das traf sie besonders schmerzlich und machte sie wütend.
Aber sie muckte nicht mehr auf, denn sie hing an ihrem Leben. Doch sie würde sich rächen - das hätte sie sich geschworen.
»Ist es noch weit bis zum Todessee?« fragte Arma.
»Nicht mehr sehr weit«, erwiderte die Seele des Teufels. »Den größten Teil des Weges haben wir hinter uns.«
Arma warf Cuca einen triumphierenden Blick zu. »Ich kann es kaum erwarten, in die Fluten des Sees zu steigen.«
»Ein neuer Lebensabschnitt wird dann für dich beginnen.«
»Und wir werden starke Verbündete sein«, sagte Arma. Sie wußte, daß Atax solche Lippenbekenntnisse gern hörte.
Der Dämon grinste. »Eine deiner ersten Aufgaben wird es sein, Metal auf unsere Seite zu holen. Er darf nicht bei meinem erbittertsten Feind bleiben.«
»Metal ist derzeit schwach.«
»Um so leichter wird es dir fallen, ihn für uns zu gewinnen.«
Arma richtete sich kerzengerade auf. »Ich war früher seine Geliebte, werde es wieder sein.«
»Wir werden
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