0702 - Die Nacht der bösen Frauen
beiden Händen ab. »Schon gut, schweig. Ich weiß jetzt Bescheid.« Dann hob sie ein Bein und trat wütend mit dem Fuß auf. Von einem Augenblick zum anderen veränderte sich ihre Haltung. Sie konnte nicht mehr, es war wie der blanke Irrsinn. Die Enttäuschung hatte bei ihr alles zusammenbrechen lassen. Sie dachte daran, daß sie diesen Mann in die Grube gestoßen hatte, und plötzlich war das nicht mehr so. Da war es ihm gelungen, den verdammten Pfählen zu entkommen, was sicherlich keiner vor ihm geschafft hatte.
Wie war so etwas möglich gewesen? Stand dieser Mann vielleicht mit dem Leibhaftigen im Bunde.
Assunga schrie auf.
Nicht vor Schmerzen, sie schrie über ihre eigene Niederlage auf, darüber, daß es ihr nicht gelungen war, diesen Mann zu vernichten, obwohl alle Voraussetzungen gestimmt hatten.
Warum nicht? Was hatte sie falsch gemacht? Warum lebte dieser Mensch noch? Und da er lebte, würde er sie auch jagen, erbarmungslos hetzen. Zudem war er nicht allein. Sie wußte, daß er im Dorf Unterstützung bekommen hatte.
Den Polizisten hatte sie getötet, und sie würde alle anderen ebenfalls töten, die sich ihr in den Weg stellten. Sie mußte an diesen Mann einfach herankommen. Er besaß eine bestimmte Waffe. Sie hatte sie nicht gesehen, doch gespürt.
Und das reichte aus.
Zum Glück hatte sie hier bei Dracula für klare Verhältnisse gesorgt und Verbündete gefunden. Sie würde die Mädchen mit in die Zukunft nehmen und ihnen genau einimpfen, was sie zu tun hatten.
Sie mußten zu einem Mord bereit sein.
Würden sie das?
Assunga blickte sie an und erkannte, daß sie auf eine gewisse Art und Weise schon ahnten, was in ihr vorging. Zudem boten sie sich an, die Hexe zu unterstützen.
»Ja, dafür bedanke ich mich, und ich muß euch ehrlich sagen, daß ich eure Hilfe auch gebrauchen kann. Ich gebe es nicht gern zu, aber ich…«
Gleich mehrere Stimmen unterbrachen sie. Die Frauen flehten sie förmlich an, ihr helfen zu dürfen, und Assunga merkte den Triumph, der tief in ihrem Inneren hochstieg.
Noch war nicht alles verloren.
»Aber es sind starke Feinde«, sagte sie.
»Stark sind wir auch!«
»Glaubt ihr daran?«
»Ja!« Aus sechs Mündern drang die Antwort, und sie klang wie ein gemeinsamer Schrei.
Die Hexe tat, als müsse sie nachdenken, was ihren neuen Verbündeten gar nicht gefiel, denn sie drängten Assunga, sie endlich einzuweihen. Sie wollten sich erkenntlich zeigen, und sie hörten, wie Assunga sie vor sehr gefährlichen Feinden warnte.
»Da macht uns nichts. Wir sind dieser Hölle hier entkommen und werden auch das Feuer einer anderen löschen können. Sag nur, was du von uns verlangst.«
»Ihr werdet töten müssen!«
Eine Aufforderung, sehr kalt ausgesprochen und unmißverständlich.
Jetzt entschied es sich. Wer nicht mitmachen wollte, den würde sie hier beim Blutgrafen lassen, aber das behielt Assunga für sich. Sie wollte die Frauen nicht beeinflussen.
Es hatte sie schon getroffen, denn sie gehörten zu den Personen, denen die Gewalt fremd war. Sie hatten ein anderes, wenn auch kärgliches Leben geführt, sie hatten sich durchschlagen müssen, aber man hatte sie niemals zu einer direkten Gewalttat aufgefordert, wie das jetzt die Hexe Assunga getan hatte.
Deshalb dachten sie nach, deshalb überlegten sie noch, wie sie sich entscheiden sollten.
»Töten?« flüsterten sie.
»Ja, töten!«
»Wie denn?«
»Mit den Händen oder auch mit Waffen, die euch der Blutgraf besorgen wird. Ihr werdet Menschen treffen, die gegen mich sind, die mich vernichten wollen, die mich hassen. Mich, eure Lebensretterin. Jetzt komme ich darauf zurück. Überlegt es euch gut. Ihr werdet mit mir zusammen in eine andere Zeit gelangen, und ich werde auch dort für euch sorgen, so wie ihr für mich sorgt.«
Es war nicht die ganze Wahrheit, die Assunga ihnen sagte. Das Wichtigste behielt sie für sich. Sie wollte die Frauen nur als Mittel zum Zweck benutzen, um ihre Feinde von sich selbst abzulenken.
Und sie sprach noch weiter. Sie erzählte davon, daß sie versuchen würde, sie mit besonderen Kräften auszustatten. Daß die uralten Mächte, mit Lilith an der Spitze, wie ein Kraftrausch auf sie niederfallen würden, um sie zu stärken. »Und somit werdet ihr dann mächtiger sein, als die Menschen, die euch begegnen auch wenn sie euch fremd erscheinen werden, anders gekleidet sind und sich in Fahrzeugen bewegen, die nichts mehr mit den alten Gespannen aus dieser Zeit gemeinsam haben. Aber die alten
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