0702 - Die Nacht der bösen Frauen
schaute gegen die Mündung, lachte plötzlich, drückte noch einmal ab, hämmerte die Kugel in den Boden, dann wußte sie Bescheid.
Sie drehte das Gewehr.
Noch pendelte die Mündung.
Dann zielte sie auf den bewegungslosen Suko.
Ihm stockte der Atem!
***
Mir aber nicht. Denn ich hatte mit voller Kraft die Formel geschrieen. Daß hinter mir geschossen wurde, bekam ich nur am Rande mit, und meine lateinisch gesprochenen Worte hingen noch als Echo in der Luft. Sie waren Assunga entgegengeschwungen.
»Terra pestem teneto salus hic maneto!«
Das war es gewesen, das mußte es gewesen sein, denn nun zeigte das Kreuz, wozu es in der Lage war.
An den Enden strahlte es auf.
Ein Licht greller und heller als das der Sonne. Ein Strahlen, das schon einen überirdischen Glanz aufwies. Die Kräfte des Lichts, des Guten, kompakt gegen Assunga geschleudert, gegen die Manifestation des Bösen, die aus der feuchten Erde gestiegen war und sich die Jugend einer jungen Frau geraubt hatte.
Das Licht war gewaltig.
Es strahlte gegen sie.
Assunga, schrie!
Sie kam mir plötzlich vor wie eine Projektion. Und ihre Arme ruckten und zuckten, als sie es schaffte, ihren Mantel mit dem Futter aus Menschenhaut noch enger um ihren Körper zu zerren.
Einen Gedankenblitz ihrerseits brauchte sie nur, um zu verschwinden, mehr nicht.
Sie tat es.
Und ich bekam ein Bild präsentiert, das ich nie vergessen würde. Es war, als würde sich ein bestimmter Teil des Platzes hier zusammenziehen, sich auf ein eng begrenztes Gebiet konzentrieren, wo es eigentlich nur die eine Person gab.
Die Hexe!
Sie stand da, sie umhüllte das Licht wie ein Vorhang ohne Schatten, aber sie war nicht mehr da.
Sie hätte zerfallen müssen, doch sie tat es nicht.
Assunga war verschwunden!
Das Licht hatte sie nicht schnell genug umfangen können. Was ich sah, war noch eine Projektion ihrer Gestalt, als hätte sie jemand aus der Wand des hellen Lichtes herausgeschnitten.
Es war wie eine Lücke.
Nur besaß dieser Durchschlupf genau die Gestalt der Hexe, und das war alles.
Assunga selbst gab es nicht mehr!
Ich schaute auf mein Kreuz.
Es lag normal auf der Hand. Die Magie steckte zwar noch in ihm, nur strahlte es nicht mehr.
Im Silber sah ich mein Spiegelbild wie mein Gesicht, als hätte dort jemand mit einem Schwamm darüber gewischt. Meine Augen brannten, ich schaute auf den leeren Bahnhof und dachte daran, daß es mir nicht gelungen war, Assunga zu stoppen.
Der Mantel hatte sie gerettet.
Ich hörte hinter mir aufgeregte Stimmen. Suko und Marek fielen mir ein. Ich drehte mich um, und meine Augen weiteten sich vor Staunen…
***
Suko und Marek konnten es nicht begreifen, daß sie noch am Leben waren. Sie hatten auf dem Boden gelegen, sie hatten die Schüsse gehört, aber keine Kugel hatte getroffen.
Sie lebten… sie bewegten sich, und sie bewegten sich so, wie sie es wollten, keiner von ihnen gehorchte mehr den Kräften der Hexe. Mit zitternden Gliedern standen sie auf. Die Schmerzen spürten sie in den Armgelenken ebenso wie in den Beinen oder auf den Rippen. Auch ihre Rücken waren in Mitleidenschaft gezogen worden. Es schmerzte so, als hätten sie zahlreiche Prellungen abbekommen.
Aber sie konnten sich bewegen, sie lachten, auch wenn sie gingen wie Schwerkranke.
Die Soldaten hielten sich zurück. Noch immer wehten Rauchwolken schwarz und fettig über den Platz. Aber sie waren bereits dünner geworden und in der Nacht kaum noch zu sehen.
Der Rauch und ihre eigenen Probleme interessierten Suko und Marek nur am Rande.
Etwas anderes war viel wichtiger.
Vor ihnen lagen vier Frauen auf dem Boden. Die Kraft der Hexe hatte sie nicht mehr halten können.
Sie waren aus der Höhe niedergestürzt, zwei von ihnen hatten sich leicht verletzt, eine andere hielt sich den rechten Fußknöchel, aber sie alle hatten eines gemeinsam.
Den staunenden und nicht zu begreifenden Blick für eine Welt, in der sie nicht geboren waren.
Frantisek Marek mußte plötzlich lachen. Er schüttelte dabei den Kopf und fragte Suko: »Was machen wir denn jetzt mit ihnen?«
»Das weiß ich auch nicht…«
***
Die vier Geretteten bekamen zu essen und zu trinken. Wir saßen mit ihnen in einem Gasthaus zusammen, auch Ivanescu war dabei, und er wußte ebenfalls keinen Rat.
Der Hexenbann war verflogen. Wir machten den Frauen behutsam klar, in welch einer Zeit sie sich befanden, aber ihre Gesichter zeigten Unglauben.
Hier im Ort konnten sie nicht bleiben. Das war den Bewohnern einfach
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