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072 - Das Horror Palais von Wien

072 - Das Horror Palais von Wien

Titel: 072 - Das Horror Palais von Wien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Larry Brent
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Vermißten auf Anton Sachtlers Liste. Rakow schlug
die Decke zurück. Die wie in einem todesähnlichen Schlaf Liegende war nackt.
Auf ihrem linken Arm zeigte sich ein Muster von roten Punkten, die aussahen wie
Einstiche von zahllosen Nadeln. Die Ahnungslose wurde unter den Tisch gelegt,
auf dem die Kerzen brannten und die Seiten aus dem Buch lagen. Die Hexe trat
zurück und streckte beide Arme aus. Die Innenflächen der Hände waren auf den
Tisch mit den Utensilien ausgerichtet. Die Kerzenflammen bewegten sich
plötzlich, als ob ein Lufthauch durchs Zimmer streiche. Hektischer wurde die
Bewegung, und die Temperatur fiel, als würde durch eine offene Tür Kaltluft
hereinströmen. Aber die Kälte kam aus dem Nichts, denn sämtliche Türen und
Fenster der Wohnung waren verschlossen. Es fiel kein einziges Wort.
    Die
Entführte war schon in einer der Nächte vorher im Spukzimmer durch die
Begegnung mit dem Geist der unheimlichen Gräfin auf diesen Moment vorbereitet
worden. Die Hexe war nur noch der Katalysator, der Wille, der das Böse wollte.
Und durch dieses Böse hindurch flossen die Ströme all der fürchterlichen
Gedanken, die in diesem Palais einst gedacht und durch die Familie der Cernays
zur Ausführung gekommen waren. Raunen und Wispern ertönte aus den Wänden
ringsum, es hörte sich wie eine Beschwörung von Teufelsanbetern an. Die Flammen
flackerten heftig, der Luftzug wurde stärker, und fast schien es, als wollte
das Kerzenlicht verlöschen. Gesicht und Haare der unter dem Tisch Liegenden
veränderten sich. Wie in Zeitrafferaufnahme schienen neue Schichten zu
entstehen, andere zurückzuweichen, wuchsen die Haare und verdichteten sich die
Brauen. Milchiges Licht spielte über der Haut und wurde zu einem Gewebe, das
die Konturen eines schönen, maßgeschneiderten Ballkleides annahm. Rüschen entstanden,
Pailletten begannen zu funkeln. Unter unsichtbaren Händen eines genialen
Bildhauers schien ein völlig neues Wesen zu entstehen. Aber dieser Bildhauer war nicht genial, er war teuflisch, denn sein Material war der lebendige
Mensch. Das gleiche Ballkleid, das die uralte Petra Faroch getragen hatte, als
man sie fand, und das in diesem Moment auch die äußerlich veränderte Sandra
Kaintz trug, war durch teuflischen Spuk erneut entstanden. Zum dritten Mal. In
dem Kleid steckte jetzt eine rassige, glutäugige Zigeunerin, die sich wie in
Trance vom Boden erhob. Sie hatte Schillerlocken und eine leicht getönte Haut,
das ihrem hochwangigen Antlitz einen exotischen Anstrich verlieh.
    Genauso
sah Sandra Kaintz aus, die in diesen Minuten im Künstler-Café am Tisch
von Constanze Gramscyk saß, die von der Polizei den Auftrag hatte, die
veränderte Freundin aufzuhalten. Die gleiche rassige junge Zigeunerin hatte es
schon mal gegeben. Damals, im Palais… vor rund zweihundert Jahren, als Tanja
Gräfin von Cernay sie vergiftete und anschließend ihren Sohn mit unzähligen
Messerstichen tötete. Die junge Geliebte von damals war wie die Todesgräfin es
einst prophezeite, wiedererstanden. Die Veränderte erhob sich, strich ihr Kleid
glatt und löste sich dann vom Tisch, auf dem die Kerzen wieder ruhig brannten.
»Sie können kommen«, rief die Hexe ins Halbdunkel. Totenstille trat nach ihren
Worten ein. Dann öffnete sich eine Verbindungstür, und im dunklen Türrahmen
tauchte eine Gestalt auf. »Komm zu mir«, sagte sie leise.
    Da
raffte die Zigeunerin ihr Kleid zusammen und setzte sich in Bewegung. »Komm zu
mir, damit ich dich aus der Nähe betrachten und mich an deinem Anblick ergötzen
kann. Dein Leben und deine Jugend sind auch mein Leben und meine Jugend…« Der
schönen Exotin streckten sich zwei Hände entgegen. Sie waren alt und welk und
zitterten…
     
    ●
     
    Hinter
den meisten Fenstern in der Straße brannten Lichter. Eine besondere Atmosphäre
verbreiteten die nostalgischen Laternen, die an manchen Hauseingängen befestigt
waren. Anton Sachtler hielt genau gegenüber dem Künstler-Café in einer
Parklücke. Das stubengroße Lokal mit den bogenumwölbten Decken war bis auf den
letzten Platz gefüllt. Es roch nach Kaffee und Schmalzbroten. In der hintersten
Ecke saßen an einem kleinen, runden Tisch vier junge Leute. Zwei Mädchen und
zwei Jungen. Das eine Mädchen war blond und üppig und hatte das lange Haar auf
der einen Seite nach hinten gekämmt und mit einem Schmuckkamm festgesteckt.
Neben ihr saß die Zigeunerin im Ballkleid. Die beiden jungen Männer am Tisch gehörten
offensichtlich zum

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