073 - Der Schlaechter
je. Ich hab’ ihn’raus, den Dreh! Ole! Herzen vertausch’ ich im Nu. Brust auf, und Brust wieder zu. Führt’s mal zur ewigen Ruh’, auch egal, das ist der Clou. Wer will schon leben partout? Ich sicher nicht – etwa du? Refrain:
Ole, hehe, tut’s weh? Ole, oje, ich seh’, die abgeschnitt’nen Glieder, die wachsen niemals wieder! Ole!“
„Na, was sagen Sie dazu?“ fragte Dr. Kappa stolz.
Dr. Heintz war maßlos verblüfft und brachte kein Wort heraus. Er fragte sich, was er von diesem „komponierenden“ Mörder-Arzt halten sollte. Man sagt, daß Leute, die Genie besitzen, auf vielen Gebieten gleichzeitig begabt sind. Handelte es sich bei diesem Chirurgen vielleicht tatsächlich um ein Genie, wie er es von sich behauptete? Anders waren wohl die Verirrungen dieses Ungetüms nicht zu erklären. Trotz allem hatte sein Liedchen nichts Geniales an sich. Dr. Heintz, ein Liebhaber guter Musik, fand es geradezu primitiv.
Er bemerkte, daß der andere immer noch auf Antwort wartete.
„Ich halte dieses Chanson für eine Mißgeburt, die Ihrem kranken Geist entsprungen ist. Es wäre für einen Psychiater außerordentlich aufschlußreich.“
„Wie? Psychiater? Was reden Sie da! Ah, ich sehe, Sie wollen mich reizen, was? Das ist wohl Ihre Taktik, was? Nun, es gelingt Ihnen nicht, ich bleibe die Ruhe selbst. Reden Sie offen: Mein Lied gefällt Ihnen also nicht?“
„Haben Ihre anderen Lieder wie dieses auch medizinische Themen?“
„Nein“, erwiderte Kappa stolz. „Für gewöhnlich handeln sie von der Liebe.“
„Wirklich?“
„Ja. Ich warte immer noch auf die Beantwortung meiner Frage. Hat Ihnen mein Chanson gefallen?“
„Hören Sie, die Melodie ist ganz ansprechend, wenn auch nicht besonders originell, aber der Text ist idiotisch.“
„Idiotisch? Haben Sie idiotisch gesagt? Man müßte Sie …“
Er verschloß das Tonbandgerät und fragte dann: „Und meine Stimme? Wie finden Sie meinen Gesang?“
„Etwas heiser.“
„Tatsächlich? Haben Sie nicht Angst vor meinem Zorn?“
„Nein.“
„Ich werde Sie foltern. Ich …“
„Das haben Sie mir bereits angedroht.“
„Oh, ich werde …“
Der Chirurg stürzte mit hochrotem Kopf aus dem Zimmer, sein Tonbandgerät unter dem Arm.
Ich muß ihn irritieren, das ist das einzige Mittel, um mit ihm fertig zu werden, dachte Heintz. Aber er war beunruhigt, denn er wußte, daß er die Eitelkeit dieses Ungeheuers verletzt hatte, indem er seine Überlegenheit gezeigt hatte.
Was hat er jetzt mit mir vor? Fragte sich Dr. Heintz.
Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten. Dr. Kappa tauchte wieder bei ihm auf. Er reichte den schwarzen Riesen zwei große Blechtöpfe und zwei Löffel.
„Schlagt auf die Töpfe“, sagte er zu ihnen. „Hindert ihn genau eine Stunde lang am Schlafen. Jetzt sage ich noch: eine Stunde. Ich kann auch sagen: vierundzwanzig Stunden. Wir werden sehen, ob Sie nicht auch bald einen Psychiater brauchen.“
Er ging und schlug die Tür hinter sich zu.
Eine Stunde lang mußte Dr. Heintz ein Getöse über sich ergehen lassen, das fast unerträglich war. Die Rache des Chirurgen war grotesk, aber wirksam. Er wollte sich auf die Neger stürzen und ihnen die Töpfe entreißen, aber er hielt sich zurück, denn diese Monster wären spielend mit ihm fertiggeworden.
Als der Höllenlärm endlich aufhörte, lag der Arzt völlig erschöpft auf seinem Bett. Die Gedanken wirbelten in seinem Kopf. Ob er jemals nach Amerika zurückkehren konnte? Er dachte an seine Klinik in New York, an seine Sekretärin, seine Assistenten, an seine Patienten und seine Freunde. Alle mußten sich doch fragen, warum er so plötzlich verschwunden war. Die Polizei suchte ihn sicher schon. Darüber schlief er ein.
Ein paar Tage vergingen, ohne daß etwas geschah. Dr. Heintz schlief viel, las in den medizinischen Büchern in der Bibliothek und wurde freundlich und diskret von seinem kleinen Pagen bedient. Die Negerriesen ließen ihn keinen Augenblick aus den Augen.
Eines Nachts schreckte er auf. Ein Gewitter hatte ihn geweckt. Die Finsternis wurde von Blitzen erhellt. Regen prasselte gegen die Fensterscheiben.
Wie lange hatte er geschlafen? Er fühlte sich zerschlagen und hatte Kopfschmerzen. Er fragte sich in panischer Furcht, ob Dr. Kappa vielleicht die Gelegenheit benutzt hatte, ihn während des Schlafes in einen Roboter zu verwandeln.
Er befühlte seinen Kopf, konnte aber keine Veränderung feststellen. Langsam beruhigte er sich
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