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073 - Der Schlaechter

073 - Der Schlaechter

Titel: 073 - Der Schlaechter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Agapit
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verbarrikadiert, auf der Terrasse stand ein Posten, die Zimmertür war verschlossen, und die Schwarzen bewachten ihn unaufhörlich. Alle Ausgänge waren abgesichert.
    Es blieb ihm nur das Dach. Vielleicht fand er einen Durchschlupf, ein Dachfenster, eine Mansarde. Man konnte Bettlaken zusammenknoten.
    Es würde unsägliche Schwierigkeiten geben. Aber er mußte alles versuchen.
    „Du holst den größten Schraubenzieher, den du finden kannst“, sagte er schließlich zum Pagen.
    „Einen Schraubenzieher? Wofür?“
    „Das geht dich nichts an.“
    „Nein.“
    „Was, nein?“
    „Ich will nicht. Mein Herr …“
    „Von dieser Sekunde an bin ich dein Herr, verstehst du?“
    „Nein.“
    „Doch. Schlafe, schlaf ein.“
    Heintz versuchte mit aller Kraft, ihn zu hypnotisieren, Herr über sein Gehirn zu werden, das von Kappa abhängig geworden war. Mehrmals wiederholte er eindringlich seinen Befehl.
    Die Augen des Jungen wurden durchsichtig. Er schlief im Stehen den Hypnoseschlaf und hörte alles, was Dr. Heintz ihm sagte.
    Heintz wußte, wenn der Kleine aufwachte, erinnerte er sich an nichts mehr. Aber am Mittag würde es ihn in das Arbeitszimmer ziehen, er würde, ohne es verhindern zu können, einen Schraubenzieher holen und ihn Dr. Heintz bringen.
    „Wach auf!“ befahl er.
    Der Page kam zu sich. Er wußte nichts von seinem künstlichen Schlaf. Er schüttelte sich und lächelte, als sei nichts gewesen.
    „Jetzt leg dich wieder hin“, sagte Dr. Heintz. Er nahm das Kind in seine Arme und trug es ins Nebenzimmer, wo er es behutsam auf sein Feldbett legte. Er küßte den Jungen auf die Stirn und kehrte in sein Zimmer zurück.
    Armer Kerl, dachte er. Er wächst ohne Elternliebe auf und findet seinen Roboterzustand schön. Wenn er auch nicht leidet, so leide ich für ihn.
    Dr. Heintz seufzte und lief auf und ab. Er fand keine Ruhe mehr. Der Morgen kam langsam herauf. Eine Stunde verging.
     

     
    Plötzlich vernahm Dr. Heintz ein Schlüsselgeräusch und Schritte. Die Schwarzen tauchten wieder auf und schoben eine Art Trage auf Rädern herein. Darauf lag eine regungslose Person mit geschlossenen Augen.
    Ein Verwundeter? Ein Sterbender? Fragte sich Heintz. Will Dr. Kappa meine Meinung in einem schwierigen Fall hören? Warum ist er nicht da?
    Er beugte sich über den ausgestreckten Körper. Er war von den Fußspitzen bis zu den Achseln in eine Decke gewickelt. Der Oberkörper steckte in einer Strickjacke, und die Arme lagen unbeweglich auf der Decke, die abgemagerten Hände hatten lange verknöcherte Finger. Der Kopf war abschreckend, uralt, runzelig und über und über vernarbt. Der Mann trug einen langen, gelblichen Bart. Über der Stirn befand sich ein Büschel grauer Haare.
    Heintz brauchte nicht lange zu überlegen. Der Totgeglaubte sprang plötzlich mit einem Satz von seinem Lager auf. Er sammelte seine beiden Holzarme ein, die zu Boden gefallen waren, schwang sie durch die Luft und stieß dabei ein groteskes Gelächter aus. Dann warf er seine künstlichen Arme fort, riß sich Perücke und Bart ab und lief ins Badezimmer. Dort rieb er sich mit einem Handtuch die Schminke vom Gesicht.
    Dr. Heintz, der zuerst entsetzt zurückgewichen war, erkannte Kappa, der schallend lachte.
    „Was wirft Sie um, was?“ sagte er. „Das würde viele Leute verblüffen, wenn sie das sehen könnten. Jeden Morgen, den der liebe Gott werden läßt, sieht man mich in dieser Verkleidung im Park. Ich biete den Bauern, die auf ihrem Weg zu den Feldern an meinem Tor vorbeikommen, dieses Schauspiel. Der Schloßherr, der in einem Rollstuhl von einem Diener spazierengefahren wird. Armer Monsieur, sagen sie dann, er hat viel Unglück miterlebt. Er ist gelähmt und schon mit einem Bein im Grab. Meine Köchin kauft jeden Tag ein paar Lebensmittel auf dem Dorfmarkt, und wenn man sie nach meinem Alter fragt, sagt sie: Der arme Mann hat nicht mehr lange zu leben, er ist mindestens hundert Jahre alt. Dabei hebt sie traurig den Blick zum Himmel. Sie hat es darin schon zur Meisterschaft gebracht in den zehn Jahren. Die Leute glauben, daß hier im Schloß nur drei Menschen leben, ich, die Köchin und der Diener. Niemand weiß, daß ich eine kleine Armee habe und daß ich nachts einen Lastwagen fortschicke, der in der Stadt Berge von Nahrungsmitteln kauft und in der darauffolgenden Nacht heimlich zurückkommt. Dieser Trick verschafft mir Ruhe und hält den Klatsch ab. Und trotzdem ist der Bevölkerung hier das Schloß nicht geheuer. Ich habe meine

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