074 - Die mordenden Leichen
Unsterblichkeit, welche von der Familie de Ruys gesucht und auf eine Weise auch gefunden wurde. Einige der Worte hatten für ihn keinerlei Sinn, doch Chambers schien sie zu verstehen.
„Das Opfer ist beendet. Der Große Meister hatte uns die Ehre gegeben, es von uns anzunehmen. Nun gibt es keinen Zweifel mehr, daß wir nach so langer Zeit endlich erfolgreich waren.“ Die Stimme klang triumphierend, wurde aber zusehends schwächer, wie von einer unsichtbaren Kraft weggezogen.
„Überspringe drei Wochen. Was siehst du jetzt?“
„Ich empfand Schmerz, grauenhaften Schmerz, als sie ins Haus drangen und die Räume nach uns durchsuchten. Der Mann, den wir geopfert hatten, war vermißt worden, und sie hatten all ihren Mut zusammengenommen, um uns zu richten. Oh, ich kann noch immer die Angst spüren, die sie hatten, als sie in unser Haus kamen.“ Entzücken und Begeisterung schwang in der Stimme.
„Sie nahmen unsere Körper und schlugen Pfähle in unsere Herzen, aber zu diesem Zeitpunkt konnten sie uns nichts mehr anhaben. Der Schmerz war bald vorbei, und dann war nur mehr Freiheit in uns, wie wir sie nie gekannt hatten. Edmund war ein Narr gewesen.“
„Was meinst du mit Freiheit?“ forschte Chambers. Eine der Kerzen flackerte und drohte, auszugehen. Chambers sprach nun schnell und eindringlich, als müßte er gegen die Zeit kämpfen.
„Befreiung aus der Begrenztheit unserer irdischen Körper natürlich. Was sonst? Der Große Meister hielt sein Versprechen. Er hatte gesagt, wir würden niemals sterben. Wir sollten hierbleiben, bis ein Nachfahre den Besitz beanspruche. Dann werden wir auch die Kraft haben, die uns noch versagt ist. Die Kraft, in unsere Körper zurückzukehren, denn dann werden wir …“
Die Kerze verlosch. Gleichzeitig verstummte der Bericht, als hätte man ein Radio abgedreht.
Chambers seufzte tief auf. „Heute werden wir wohl nichts mehr erfahren“, sagte er dann erschöpft. „Aber immerhin wissen wir jetzt sehr viel mehr als vorher.“
„Wir wissen nun auch, was mit Edmund geschah“, fügte Fenner hinzu. Er beobachtete, wie der Freund den Kreis abschritt und die Kerzen ausblies. Dann trat er an das Mädchen heran und machte, unter Gemurmel, das Kreuzzeichen über sie. Dann nahm er ihre Hand.
Ihre Augen öffneten sich zitternd. Fenner erkannte, daß keinerlei Erinnern, kein Erkennen in ihnen war. Dann setzte sie sich auf, und Farbe kam wieder in ihre Wangen.
„Oh! Dr. Fenner“, sagte sie sanft. „Und Mr. Chambers. Was tue ich denn da?“ Sie blickte sich überrascht um.
„Es würde zu lange dauern, alles auf einmal erklären zu wollen“, gab Chambers freundlich zur Antwort. „Ich bezweifle auch, daß Sie das Meiste davon glauben würden. Sagen wir, Sie hätten unter kurzfristigem Gedächtnisverlust gelitten. Jetzt ist wieder alles in Ordnung, das verspreche ich Ihnen.“
„Ist das wahr, Doktor?“ Sie wandte sich Fenner zu. „Stimmt, Angela“, nickte er. „Sie ruhen sich jetzt am besten ein oder zwei Stunden aus.“
Fenner machte sich Sorgen, was wohl geschehen würde, wenn die Sonne unterging und Dunkelheit sich über das Land breitete, wenn die Toten, die keine Ruhe fanden, auf Erden umhergingen und Angst und Grauen mitbrachten.
Würde Chambers dann immer noch der Stärkere sein, oder würde das böse Ding noch einmal von Angelas Geist Besitz ergreifen, diesmal so lange, bis es am Ziel war? Schmerzlich traf ihn die Erkenntnis, daß dann keine Macht der Erde das furchtbare Ding aufhalten konnte. Einen Tag später würde das ganze Dorf ebenso irrsinnig sein wie damals Mrs. Pendrake.
Das Mädchen hatte in einem der Sessel Platz genommen und nahm nun dankend den Drink an, den Chambers ihr anbot. Schaudernd blickte sie auf die kabbalistischen Figuren hinunter.
„Irgend etwas ist geschehen“, sagte sie mit leiser Stimme. „Es muß etwas Furchtbares gewesen sein.“
„Was immer es auch war, nun ist es vorüber“, beschwichtigte sie Fenner.
Angela lächelte ihm zu.
„Einer Sache bin ich sicher“, erklärte Chambers. „Wenn die Geister siegen, werden Sie, Angela, das nicht überleben. Ich möchte Sie nicht unnötig ängstigen, ich möchte Sie nur von der Notwendigkeit überzeugen, sich vor ihnen zu verbergen, damit sie nicht wieder Macht über Sie erringen.“
„Sie meinen, ich soll mich dem Schloß fernhalten, bis die ganze Sache vorüber ist?“
„Mehr als das. Sie werden bis zum Einbruch der Dunkelheit warten, weil ihre Macht dann am stärksten ist,
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