0749 - Hort der Wölfe
von seiner Livree, zog sich mit einem militärisch knappen Nicken zurück und verließ die von bulliger Hitze erfüllten Kellergewölbe tief unter der Vandurenschen Villa.
Merlow Vanduren machte sich daran, die Schlösser der drei wasserdichten Kisten zu öffnen, die er und Talbot an der Penn Station persönlich in Empfang genommen und mit dem eigenen Wagen hierher, nach Hause und schließlich über die Kohlenschütte in den Keller gebracht hatten. All das im Schutze der Nacht, denn auf neugierige Zuschauer oder auch nur zufällige Zeugen konnte Vanduren gern verzichten. Diese Gefahr indes war ohnedies gering. Sein Grundstück war groß, und die Villa stand so weit abseits der Straße, dass von dort aus kaum zu sehen war, was in unmittelbarer Nähe des Hauses vorging. Zudem war die Bronx einer der dünner besiedelten Boroughs - noch zumindest, denn die Zahl derjenigen, die sich aus dem Zentrum Manhattans in die Randgebiete von Greater New York zurückzogen, wuchs zunehmend.
Momentan aber lag die Vanduren-Villa noch relativ abgeschieden, und die wenigen unmittelbaren Nachbarn hielten Merlow Vanduren zum einen für einen Menschen, der auf soziale Kontakte keinen Wert legte, und zum anderen für jemanden, der mit alten Büchern handelte.
Letztere Annahme hätte ein Blick in die Räumlichkeiten der Villa durchaus bestätigt oder jedenfalls nahegelegt. Es gab Bücher in Hülle und Fülle. Kaum ein Raum, in dem keine bis zur Decke reichenden Regale standen, die meisten davon randvoll mit Folianten, Schmökern, Schwarten, Schinken und Scharteken; viele alt, ein großer Teil auch uralt, manche noch von Hand geschrieben, Unikate, kostbar - was nicht ganz stimmte, denn alle waren sie unbezahlbar. Und unverkäuflich.
Jedes Stück war ein Schatz, den Vanduren nie weggegeben hätte, für kein Geld der Welt. Einerseits, weil das Gros dieser Bücher Wissen barg, das kaum anderswo zu finden war, und andererseits hatte Vanduren Jahre darauf verwendet, sie in seinen Besitz zu bringen.
Was einzig seines Vaters Schuld war. Seines Vaters, den Merlow heute, lange nach dem Tod des alten Herrn, einen Narren nannte.
Vanduren klappte die Deckel der drei Kisten hoch. Darin lag, in vom Blut roséfarbenes Eis gepackt, Rebecca Dale - oder die Bestie eben, die sie in Wirklichkeit gewesen war. Säuberlich zerlegt, hart gefroren mittlerweile und ein kleines Vermögen wert, wenn man nur wusste, wie man Kapital schlagen konnte aus dem Kadaver eines Werwolfs.
Und Merlow Vanduren wusste das.
Womit er nicht nur seinem Vater, sondern auch seinen Vorvätern weit voraus war. Allerdings, das räumte er ein, wäre er ohne Letztere, ohne ihre Vorarbeit, nie so weit gekommen.
Während er die Teile der Wölfin aus dem Eis nahm und zum Auftauen auf die Werkbänke ringsum legte, hörte er in Gedanken die Stimme seines Vaters. Wie der über den ›mystischen Mumpitz‹ wetterte, mit dem seine Familie ihre Zeit, seine Vorfahren ihr Leben vertändelt hätten. Und darüber, dass sich mit diesem ›Humbug‹ doch kein Geld verdienen ließe.
Womit er durchaus Recht hatte.
Kein Vanduren war reich geworden, indem er sich, theoretisch wie auch praktisch, mit Werwölfen auseinandersetzte, im Laufe von über 400 Jahren nicht. Niemand hatte je einen Vanduren für sein an Obsession grenzendes Studium des lykanthropischen Wesens bezahlt, und hatte einmal einer eins dieser Biester zur Strecke gebracht und damit einen Landstrich vom Fluch befreit, hatte man ihn in der Regel in Naturalien entlohnt - wenn überhaupt…
All dies wusste Merlow Vanduren aus den Familienchroniken und sonstigen Aufzeichnungen seiner Ahnen, die seit jeher von einer Generation an die nächste weitergegeben wurden.
Wann diese Tradition ihren Anfang genommen hatte, ließ sich heute nicht mehr genau feststellen. Was er indes sicher wusste, war, dass die jahrhundertelange Tradition mit seinem Vater ihr Ende gefunden hätte - wäre er, Merlow, nicht gewesen!
Sein Vater hatte damit nichts im Sinn gehabt. Er hatte sein materielles Glück machen wollen, die europäische Heimat seiner Ahnen mitsamt seiner kleinen Familie verlassen und sich in der Neuen Welt niedergelassen, in New York, wo er als Tuchhändler für eine kleine Firma tätig wurde, die nicht zuletzt durch sein Bemühen größer wurde. Nach dem Tod des Eigentümers hatte er sie weitergeführt und zu noch größerem Erfolg gebracht.
Dass Merlow dieses Erbe nicht übernehmen wollte, hatte dem alten Herrn das Herz gebrochen, buchstäblich
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