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0749 - Hort der Wölfe

0749 - Hort der Wölfe

Titel: 0749 - Hort der Wölfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timothy Stahl
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schließlich umbrachte.
    Und mit ihrem letzten Gedanken, mit allerletzter Kraft empfand sie es fast als Erlösung, als der Tod ihr endlich das Augenlicht löschte.
    ***
    Der Glanz in den bernsteinfarbenen Lichtern des Werwolfs schwand, als würde er hinabgeschlürft in die schwarzen Schächte der Pupillen. Er verging wie der Schein einer Petroleumlampe, deren Docht herabgedreht wurde.
    »Bist ein wahres Prachtexemplar, Mädchen«, sagte Merlow Vanduren, den Blick noch immer unverwandt auf die tote Wölfin hinab gerichtet, und in seiner Stimme klang aufrichtige Bewunderung.
    Es war schon erstaunlich. In ihrer menschlichen Gestalt war Rebecca Dale ein eher zierliches, fast schon zerbrechlich anmutendes Geschöpf - als Werwolf indes war sie ein richtiggehender Kaventsmann!
    Eine Beobachtung, die Vanduren nicht zum ersten Mal machte. Je kleiner der Mensch, desto größer der Wolf. Trotzdem war das nicht die Regel. Die Widernatur dieser Wesen ließ sich nicht in starre, von Menschen erdachte Schemata pressen. Eine Erkenntnis, zu der, wie Merlow Vanduren aus deren Aufzeichnungen wusste, auch seine Vorväter und Vorgänger schon gelangt waren…
    Er merkte, wie die Anspannung von ihm abfiel, wie er ruhiger wurde. Das Fieber, wie er die Erregung nannte, in die ihn jede Jagd aufs Neue versetzte, legte sich. Es war fast an der Zeit, mit der eigentlichen Arbeit zu beginnen -gleich…
    Vanduren wischte sich den inzwischen kalt gewordenen Schweiß vom Gesicht und damit auch einen Teil jener Paste, mit der er seinen nackten Körper eingerieben hatte. Sie übertünchte seinen menschlichen Eigengeruch und machte es Werwölfen so gut wie unmöglich, seine Witterung aufzunehmen. Damit wurde er für die Bestien quasi unsichtbar, solange er sich nur lautlos bewegte und aus ihrem Blickfeld blieb.
    Im Falle Rebecca Dales hatte sich die Salbe wieder einmal bewährt. Er hatte die Wölfin überrumpeln und das Überraschungsmoment zu seinem Vorteil nutzen können.
    Diese Jagd war relativ kurz und für beide Seiten schmerzlos gewesen. Vanduren wusste nicht, wie viele Werwölfe er schon getötet hatte. Nachdem das zweite Dutzend voll gewesen war, hatte er den Überblick verloren. Aber er entsann sich einiger Kämpfe, die weitaus haariger gewesen waren als die Auseinandersetzung hier, die diese Bezeichnung ja kaum verdiente.
    Dass er am Ende stets der Sieger geblieben war, hatte zwei Gründe: Er beging, obwohl er über ein ansehnliches und wirkungsvolles Arsenal an Waffen und Hilfsmitteln verfügte, nicht den Fehler, sich zu überschätzen oder gar für unbezwingbar zu halten - und er wurde nie unvorsichtig oder nachlässig. Beides hätte seinen Tod bedeutet, eher früher als später.
    Vanduren wartete noch eine Weile, in der er die Wölfin nicht aus den Augen ließ. Zwar zweifelte er nicht daran, dass sie tot war, er wollte nur, nein, er musste sicher gehen, dass sie sich im Tode nicht in ihre menschliche Form zurückverwandelte, wie es ›fachgerecht‹ erlegte Werwölfe für gewöhnlich taten - und womit sie für seine besonderen Zwecke unbrauchbar wurden…
    Dass Rebecca Dales Kadaver der eines Wolfes blieb, lag an dem Gift, mit dem Vanduren den tödlichen Armbrustbolzen präpariert hatte und das wie auch die witterungsaufhebende Paste aus seiner eigenen Herstellung stammte, zu einem kleinen Teil basierend auf den Kenntnissen seiner Ahnen, in erster Linie aber auf dem Wissen, das er im Laufe langjähriger Studien-und Versuche selbst gewonnen hatte. Die Wirkung des Giftes war jedoch in hohem Maße abhängig von der richtigen Dosierung. Bei Rebecca Dale hatte er sie offenbar richtig getroffen. Ihr Leichnam fand auch nach weiteren Minuten nicht zur Menschengestalt zurück.
    Endlich wandte sich Merlow Vanduren um und kehrte dorthin zurück, wo er seine Kleidung abgelegt hatte, um sich dann, mit der Salbe vor der Entdeckung geschützt, an die Wölfin anzupirschen. Diese Stelle lag etwa auf halbem Wege zwischen dem Punkt, an der er ihr den Garaus gemacht hatte, und der Farm, auf der sie diesem armen Jungen, der wie notgeil über sie hergefallen war, ein weitaus qualvolleres Ende hatte bereiten wollen. Der Bursche musste das Mädchen für eine Ausreißerin gehalten haben oder etwas in dieser Art…
    Vanduren nannte ihre Sorte in seiner eigenen Waidmannssprache ›Streuner‹. Darunter verstand er nicht sesshafte Werwölfe, die ihre Jagd nicht auf ein bestimmtes Revier beschränkten, sondern durchs ganze Land und bisweilen auch über dessen Grenzen

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