0765 - Todesangst und Leichenmoder
Totenackern herumtreibt, um seinem Kampfnamen Geisterjäger alle Ehre zu machen.
So ganz von der Hand zu weisen wäre dies nicht gewesen, schließlich befand ich mich schon seit Jahren im Kampfstreß gegen irgendwelche übernatürlichen Erscheinungen, aber daß ich zu dieser Zeit auf dem Friedhof hockte und unter mir die harten Bretter einer schlichten Bank spürte, hatte einen anderen Grund.
Ich war verabredet!
Nicht mit einem Toten, sondern mit einem Mann, der lebte und dem Leben durchaus zugetan war, denn er sah von ihm zumeist die positiven Seiten. Dieser Mann hieß Dino Kellerman, war ein Fotograf, der nicht für Zeitungen arbeitete, sondern mehr für die Hochglanz-Magazine, und da hatte er sich besonders auf Mode spezialisiert.
Er hatte mich treffen wollen, und dies zu einer bestimmten nächtlichen Zeit auf dem Friedhof. Sogar aus rein praktischen Gründen, hatte er mir mitgeteilt.
Es war noch nicht ganz dunkel geworden, aber die tiefe Dämmerung hatte die Gräberfelder bereits erfaßt und ließ sie aussehen wie ein schmutziges Meer.
Nur hin und wieder sah ich den Umriß eines Grabsteins oder eines Engels, der seine Hände gegen den Himmel gestreckt hielt. Auf diesem Friedhof wurde niemand mehr begraben. Er war stillgelegt worden, gehörte aber zu den Plätzen, die viel über eine Vergangenheit berichten konnten.
Es hatte eben Menschen gegeben, die auch im Angesicht des Todes dokumentieren wollten, wie gut es ihnen im Leben gegangen war. Das lag auch an den Grabsteinen und Figuren, von denen keine preiswert gewesen war. Da hatte man schon einiges für hinlegen müssen. Und wo der gute Geschmack aufhört und der Kitsch anfängt, das konnte niemand so genau wissen. Für mich jedenfalls waren die Figuren und überladen wirkenden Barockengel, die längst Patina angesetzt hatten, einfach geschmacklos.
Suko war nicht mitgefahren. Er hatte keine Lust gehabt und wollte mal richtig durchschlafen. Deshalb hockte ich allein auf der Bank und wartete auf Dino Kellerman.
Da ich allein war, gönnte ich mir eine Zigarette. Ich rauchte ja weniger, doch hin und wieder überkam es mich, und die Toten machten mir keine Vorwürfe.
Ich qualmte also und beschäftigte mich gedanklich mit diesem Dino Kelleruran. Über den Mann hatte ich Erkundigungen eingezogen und festgestellt, daß ich keiner Finte aufgesessen war. Es gab ihn, er arbeitete auch als Fotograf und war in der Branche schon bekannt. Sein Leumund war ausgezeichnet, ich konnte mich nicht beschweren und wunderte mich dennoch, daß er mich ausgerechnet um diese Zeit auf einen Friedhof bestellt hatte. Das wollte mir einfach nicht in den Sinn. Irgendeine Macke mußte er schon haben. Vielleicht hatte er mich auch nur neugierig machen wollen, und ich war darauf reingefallen.
Ich mußte lächeln. Wenn er davon ausging, mir einen Gefallen getan zu haben, weil ich mich eben mit außergewöhnlichen Fällen beschäftigte, würde ich ihm das sehr schnell sagen.
Es war still um mich herum. Daß ich trotzdem Geräusche hörte, lag an der weiter entfernt vorbeiführenden Straße. Dort rollten die Wagen entlang, und das Summen der Reifen über den noch warmen Asphalt klang wie eine ferne Melodie an meine Ohren.
Nicht die Tritte, die ich hörte. Die Bank stand direkt an einem der breiteren Wege. Ich hatte Platz genug, um die Beine auszustrecken und hatte die Hacken auf die dünne Kiesschicht gestemmt.
Ich schielte nach rechts, sah dort die Gestalt, die mir einen sehr hektischen Eindruck machte, denn sie bewegte sich beim Gehen ziemlich heftig. Kam zu mir, blieb stehen und nickte.
»John Sinclair?«
»Ja.«
»Ich bin Dino Kellerman. Sorry, daß ich Sie habe warten lassen, aber ich kam nicht weg.«
Ich beobachtete ihn, wollte ihn einstufen und mußte zugeben, daß er mir nicht wie ein Spinner vorkam, der unbedingt scharf darauf war, Treffen auf Friedhöfen abzuhalten. Er war ziemlich groß, wirkte etwas schlaksig, hatte sein Haar gefönt, trug einen Mittelscheitel und ließ die Haare an beiden Seiten nach unten hängen. Jeans, Windjacke, Hemd, weiche Springerstiefel, jedenfalls war sein Schuhwerk diesen nachempfunden, und, was mich schon etwas irritierte, war die Fotoausrüstung, die er mitgebracht hatte.
Er hatte die meisten Dinge in einer dazu passenden dunklen Tasche verstaut, nur eine Kamera trug er offen. Der Riemen hing über seine Schulter. Er legte sie ebenso neben sich wie die Tasche, als er Platz genommen hatte.
Die Jacke ließ er an. Mit beiden Händen fuhr er
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