0765 - Todesangst und Leichenmoder
mich«, sagte er hitzig. »Bitte, wir sind ein Paar, das sich geschworen hat, sich alles zu sagen. Allie hat mir auch geholfen, glauben Sie mir. Wäre sie nicht gewesen, säße ich nicht hier. Dann wäre ich wahrscheinlich durchgedreht oder hätte mich selbst umgebracht. Ich stand schon dicht davor. Sie können sich kaum vorstellen, wie stark ich gelitten habe, Mr. Sinclair.«
»Doch, das kann ich. Was riet Ihnen Allie denn?«
»Allyson - ich nenne sie der Einfachheit halber nur Allie - meinte, daß ich mich doch an eine kompetente Persönlichkeit wenden soll. Deshalb sitze ich jetzt neben Ihnen, Mr. Sinclair.«
Ich lächelte. »Danke für das Kompliment. Hoffentlich enttäusche ich Sie nicht.«
»Das denke ich nicht.« Er stand auf und setzte sich sofort wieder hin. »Außerdem habe ich Angst um Allie, daß ihr das gleiche passieren könnte wie Claire und Mabel.«
»Warum denn?«
»Weil Allie ebenfalls zum Team gehört. Sie ist Model. Die beiden anderen waren es auch.« Er hob die Schultern und lächelte verloren. »So ist das nun mal. Allmählich habe ich den Eindruck, daß auf der Agentur Ascot ein Fluch liegt, an dem ich unmittelbar beteiligt bin. Wissen Sie, Mr. Sinclair, es gibt tief in meinem Innern ein nicht sichtbares und nicht erklärbares Geheimnis.« Bei diesen Worten tippte er sich selbst mit dem Zeigefinger gegen die Brust. »Hier lauerte etwas, das ich nicht überblicken kann, mit dem ich nicht zurechtkomme. Es sitzt so verflucht tief, es ist einfach da und lenkt mich.«
»Können Sie das genauer sagen?«
»Nein, nur spekulieren.«
»Dann tun Sie das.«
Er sprach noch nicht, wartete, wurde nervös und bat mich dann, ihn nicht auszulachen.
Ich versprach es ihm.
»Dann muß ich mit Ihnen über meine Träume reden, die ebenfalls sehr schlimm waren. Manchmal habe ich das Gefühl, daß ich zwar ich bin, ich aber schon einmal ich gewesen bin, nur in einer anderen Gestalt, und daß ich ermordet worden bin.«
Ein komplizierter Satz, den ich erst einmal auseinanderpflücken mußte. Ich dachte darüber nach und kam zu einem Ergebnis. »Sie behaupten also, schon einmal gelebt zu haben.«
»Ja.«
»Hm.«
Die Antwort gefiel ihm nicht. »Glauben Sie an eine Wiedergeburt, Mr. Sinclair?«
Meine Erwiderung klang diplomatisch. »Ich behaupte zumindest nicht, daß es Quatsch ist, was viele andere sagen.«
Der Fotograf atmete auf. »Dann bin ich bei Ihnen ja an der richtigen Adresse.«
»Zumindest werde ich mir darüber Gedanken machen. Aber was hat das eine mit dem anderen zu tun?«
»Kann ich Ihnen nicht sagen. Rein gefühlsmäßig gehe ich davon aus, daß es einen Zusammenhang gibt.«
Diesmal zündete ich mir eine Zigarette an und schaute nach vorn auf den Boden. Ich blies auch dort den Rauch hin, legte die Stirn in Falten und kam wieder auf die Träume des Mannes zu sprechen.
»Sagen Sie, Mr. Kellerman, wie intensiv waren denn die Träume?«
»Sehr intensiv sogar.«
»Und Sie haben jemand gesehen?«
»Ja, den anderen, mein erstes Ich. Meine Gestalt, mein früheres Leben, das sich wieder in meinen Träumen hervorkristallisierte. Ich konnte mich erkennen.«
»Wie sahen Sie aus?«
»Tja, das ist schwer zu sagen, Mr. Sinclair«, murmelte er ins Leere hinein. »Ich sah jedenfalls anders aus als heute.« Er lächelte. »Ich war kleiner, ich war ein Typ, der im Leben nicht gut durchkam, der aneckte und umgebracht wurde.«
»Und Sie haben dann erlebt, wie ihre erste Gestalt auch getötet hat? Oder war es anders?«
»Anders. Sie ist kein Mörder. Sie hat nur wahnsinnig gelitten. Sie ist eine gequälte Kreatur gewesen, was ich einfach furchtbar finde.« Er schüttelte sich im nachhinein.
Ich kam wieder auf das andere Thema zu sprechen. »Sehen Sie denn eine Verbindung zwischen den Morden und Ihrem ersten Leben? Sind Sie davon überzeugt?«
»Wollen Sie eine ehrliche Antwort?«
»Selbstverständlich.«
»Ich glaube es. Ich kann es nur nicht sagen. Wahrscheinlich hat meine erste Gestalt die Morde und auch die Qualen des Opfers so intensiv erlebt, daß ich…« Er hob die Schultern und winkte ab. »Nun ja, mir fällt nichts mehr ein.«
»Soweit möchte ich noch nicht gehen, Mr. Kellerman.«
»Warum nicht?«
»Auch ich brauche gewisse Beweise, wenn Sie verstehen. Ich will nicht ins Leere hinein agieren. Es müssen schon die Grundzüge stimmen, das steht fest.«
Er wirkte traurig. »Dabei hatte ich auf Sie so viele Hoffnungen gesetzt, Sir.«
»Keine Sorge, Sie haben mich zumindest davon
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