0770 - Kind der Finsternis
starten konnte! Auf ihre Para-Fähigkeiten konnte die Französin sich in diesem Fall leider nicht verlassen. Die vorherigen Attacken des feinstofflichen bösen Bewusstseins hatte sie auch nicht rechtzeitig wahrnehmen können.
»Hör mal, Asha. Von mir aus können wir gerne über Männer reden, von Frau zu Frau sozusagen. Aber nicht jetzt! Zamorra ist sonst wo im Multiversum, ich weiß nicht…«
»Entschuldige, liebe Nicole.« Asha seufzte wohlig auf und verdrehte die Augen. »Ich bin noch ganz benommen von meiner… Begegnung mit Gandharva, der sich mir offenbart hat. Er hat mir verraten, dass es Zamorras Bestimmung ist, meinen Sohn zu befreien. Dein Gefährte wird sich also vermutlich in Pandisha befinden, wo…«
»Pandisha? Was soll das sein?«
»Eine Kerkerwelt, Nicole. Dort wird Vasu von Dämonen gefangen gehalten. Es ist eine lange Geschichte.«
Asha Devi wollte noch mehr sagen. Aber in diesem Moment öffnete sich die Tür. Die Guru-Anhänger stimmten im Chor einen Seufzer der Erleichterung an.
Meister Nando betrat den Raum! Seine Schüler fielen vor ihm zu Boden. Nicole hingegen stürmte auf den Guru zu und packte ihn am Bart. Ein Revers hatte er ja nicht, weil er keine Jacke trug und auch ansonsten so gut wie nackt war.
»Was hast du mit Zamorra gemacht, du Vogelscheuche?«
In diesem Moment kam sich die Französin vor wie Asha Devi. Aber sie konnte es nicht ausstehen, wenn ihr Gefährte von geheimnisvollen Kräften in eine andere Welt gezerrt wurde.
»Ich weiß nicht, wovon du sprichst. Ich war längere Zeit nicht hier, ich… ich habe versucht, mich zu entspannen!«
»Das stimmt!« Mit glockenheller Stimme sprach ein wunderschönes Mädchen diese Worte aus. Sie war mit dem Guru hereingekommen und strich mit ihren Fingern zärtlich durch sein verfilztes Haar. »Der Meister war während der vergangenen Stunde bei mir. Ich habe ihm geholfen, sich zu entspannen.«
Die Anhänger von Meister Nando machten nun Front gegen Nicole. Sie hatten mitgekriegt, dass die Dämonenjägerin ihrem Herrn und Meister an den Kragen wollte.
Asha Devi ging dazwischen.
»Immer mit der Ruhe, Leute! Man kann doch über alles reden…«
Nicole begriff immer noch nicht, wie sich die Inderin durch eine simple Götteranrufung so verändern konnte. Aber diese Frage interessierte sie nur am Rande.
Viel wichtiger war ihr, was ihren Gefährten Zamorra in dieser Kerkerwelt erwartete…
***
Kerkerwelt Pandisha
Zamorra musste kurz weggetreten gewesen sein.
Als er die Augen öffnete, fehlte jedenfalls von Meister Nando jede Spur. Auch der Meditationsraum, die Jünger, Nicole, Asha und alles andere waren verschwunden.
Das erstaunte Zamorra allerdings nicht. Er hatte schon vermutet, dass er in eine andere Dimension oder Wirklichkeitsebene gezogen worden war.
Jedenfalls befand er sich nicht mehr in der Fulham Road in London. Dort gab es nämlich keine schwarzen, gezackten Felsen. Und auch die fremdartig aussehenden Stechpflanzen suchte man dort vergebens.
Zamorra bezweifelte, ob er sich überhaupt noch auf der Erde befand. Falls doch, dann aber garantiert in einer anderen Dimension.
Der Dämonenjäger schaute sich um. Er befand sich auf einem kleinen Felsplateau. Unmittelbar vor ihm war zwischen den Stechpflanzen eine Brücke zu erkennen. Zamorra ging darauf zu. Die Brücke spannte sich offenbar über einen Abgrund, der so tief war, dass man noch nicht einmal den Grund erkennen konnte.
Das andere Ende der Brücke lag in einer Nebelbank verborgen. Zamorra glaubte aber, eine Art Festung mit Erkern und Türmen und Zinnen zu erkennen.
Offenbar war die Brücke der einzige Weg, um sich von dem Felsplateau zu entfernen. Aber das erschien nicht so einfach.
Denn die Brücke bestand aus lauter Messerklingen!
Zamorra setzte vorsichtig einen Fuß auf die Brücke. Sofort schnitten die Messer in das Leder seiner Schuhe. Er nahm den Fuß zurück, bevor die Messer ihn verletzen konnten.
Nun war guter Rat teuer. Wie sollte der Dämonenjäger die Brücke überqueren, ohne filetiert zu werden? Nachdenklich spähte er in den dunklen Abgrund. Was mochte sich an Schrecken in der Tiefe verbergen?
Und dann fiel Zamorra die Lösung ein!
Erneut wandte er sich der Brücke zu. Aber diesmal würdigte er die tausend blitzenden Klingen keines Blickes. Er konzentrierte sich darauf, guten und sicheren Boden unter den Füßen zu haben. Zamorra machte einige Schritte vorwärts. Von den Messern war nichts zu spüren. Er schaute nicht in den Abgrund,
Weitere Kostenlose Bücher