0770 - Kind der Finsternis
in dich pflanzen, denn du bist die momentan einzige Wiedergeburt von Vasus erster Mutter. Und ich danke den guten Kräften des Universums, dass Bhima ausgerechnet in dir wieder geboren wurde.«
Mit diesen Worten gab er der Polizistin einen langen und zärtlichen Kuss. Asha schmolz dahin wie Butter in der Sonne.
Doch sie war zu sehr Dämonenjägerin. Sie brannte auch darauf zu erfahren, wie es seinerzeit mit Gandharva und Bhima weitergegangen war.
»Bhima war eine kriegerische Prinzessin. Du erinnerst mich in vieler Hinsicht an sie, Asha. Als sie Vasu zur Welt brachte, verfügte das Kind sofort über große Weisheit. Aber es mangelte ihm an Erfahrung. Darum wurde Brahma sein erster Künder.«
»Ich kann mir unter einem Künder immer noch nichts vorstellen. Zamorra behauptet, er wäre jetzt Vasus Künder.«
»Das stimmt auch, Asha. Du traust Zamorra vieles nicht zu, weil er kein Inder ist. Aber er verfügt über einen großen Erfahrungsschatz. Sein Wissen ist gepaart mit der Bereitschaft, sich furchtlos den Kräften des Bösen entgegenzustellen. Das ist eine sehr seltene Gabe. Ein Künder ist jedenfalls eine Art Ratgeber, aber auch Beschützer. Vergiss nicht, dass Vasu sterblich ist. Von den bisherigen Vasus ist jeder über 200 Jahre alt geworden. Aber trotzdem werden sie nicht ewig leben, so wie nichts im Universum Bestand hat.«
Das erstaunte Asha Devi nicht. Als Inderin konnte sie mit dem Begriff der Ewigkeit ohnehin nicht viel anfangen. Alles, was entstand, wurde eines Tages auch wieder zerstört. Nichts war von Dauer. Noch nicht einmal das angenehme Gefühl, das sie durch Gandharvas Hand auf ihren Oberschenkeln verspürte…
»Brahma selbst wurde also Vasus erster Künder«, wiederholte die Polizistin mit belegter Stimme.
»So ist es. Brahma wurde von den Dämonen erkannt, weil er so ein mächtiger Gott ist. Aber Vasu ist ja nur ein Halbgott. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Vasu nahm also die Gestalt eines Dämonenkönigs an. Er schlich sich ins Lager unserer schwarzmagischen Feinde. Dort würfelten die Hauptleute gerade mit abgeschlagenen Menschenköpfen. Vasu fälschte die Würfel und säte Zwietracht unter den Dämonen. Einige schlachteten sich gegenseitig ab.«
»So ein Draufgänger!«, sagte Asha Devi voller Mutterstolz.
Zwar waren diese Dinge viele tausend Jahre vor ihrer eigenen Geburt geschehen. Aber da sie selbst ja eine Wiedergeburt der Kriegerprinzessin Bhima war, fühlte die Inspektorin sich an diesem Erfolg mitbeteiligt.
»Es kommt noch besser. Bevor die Nacht sich dem Ende zuneigen konnte, stahl Vasu die Morgensonne. Er versteckte sie in einer anderen Welt. Das brachte die Dämonen vollends durcheinander. Ihre Heere marschierten in einen Abgrund, den Vasu inzwischen mit Hilfe von Brahmas Magie geöffnet hatte. So entstand damals, als die Menschenwelt noch jung war, die Unterwelt der Dämonen. Zuvor lebten die schwarzmagischen Kreaturen in derselben Welt wie die Menschen.«
Asha Devi biss die Zähne zusammen. Das war in ihren Augen eine ziemlich grauenerregende Vorstellung.
»Seitdem«, fuhr Gandharva fort, »sorgt Vasu für einen Ausgleich zwischen Göttern und Dämonen Indiens. Er ist dafür verantwortlich, dass die Mächte der Unterwelt nicht zu stark werden können. Vasu ist sowohl göttlich als auch menschlich. Das macht ihn so einmalig. Die Zeiten, wenn ein Vasu stirbt und wieder geboren werden muss, sind immer gefährlich für die Menschheit. Denn in solchen Perioden haben die Dämonen natürlich besonders gute Möglichkeiten, ihre Macht zu erweitern.«
Das leuchtete der Polizistin ein. Sie hatte zwar den aktuellen Vasu zur Welt gebracht. Doch selbst Asha Devi als seine Mutter konnte nicht sagen, wo er sich aufhielt.
»Aber… wo ist unser Sohn?«, keuchte die Inspektorin. Auf ihrer Stirn bildeten sich unzählige kleine Schweißtropfen. Das war allerdings auch kein Wunder, denn der Gott küsste nun ihre Brustwarzen.
»Vasu wird gefangen gehalten. Und zwar an einem Ort namens Pandisha.«
»Nie gehört.«
»Pandisha ist eine Kerkerwelt. Dorthin schaffen die Dämonen jene Wesen, die sie nicht töten können oder wollen.«
Asha Devi verstand Gandharva nicht. Wie konnte er so seelenruhig mit ihr im Bett liegen und Spaß haben, während sein eigener Sohn an einem vermutlich grässlichen Ort gefangen gehalten wurde? Warum stürmte er nicht mit der Waffe in der Hand diese Kerkerwelt und zerstörte die Dämonen mit seiner überlegenen göttlichen Macht?
Der Gott lächelte
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