0770 - Kind der Finsternis
traurig und küsste sie. Offenbar hatte er ihre Gedanken gelesen.
»Ich würde Vasu gerne befreien, glaube mir. Aber Pandisha ist sogar gegen göttliche Kräfte abgeschirmt.«
»Mag sein. Aber ich bin ein Mensch, und ich bin eine Dämonenbekämpferin. Bitte verrate mir, wie ich dorthin gelangen kann!«
»Auch für dich gelten Regeln, Asha Devi. Du alleine kannst nicht das Tor nach Pandisha aufstoßen. Das liegt daran, weil du Vasus Mutter bist. Dir sind ebenso die Hände gebunden wie mir.«
»Gibt es denn keine Möglichkeit, Vasu zu befreien?«
»Oh doch, die gibt es. Vasus Künder muss sich nach Pandisha begeben. Er wird Mittel und Wege finden, um deinen Sohn zu holen.«
»Du sprichst von Zamorra?«
»Einen anderen Künder hat Vasu momentan nicht, Asha Devi.«
»Aber Zamorra ist ja noch nicht einmal Inder!«, begehrte die Inspektorin auf. »Ich verstehe nicht, warum ich nicht selber…«
Gandharva verschloss ihre Lippen mit einem Kuss.
»Du kannst nicht gegen den Willen des Kosmos aufbegehren, schöne Asha. Es ist Zamorras Karma, Vasu vor den Dämonen zu retten und zu dir zu bringen. Das musst du akzeptieren.«
Asha Devi wollte noch etwas sagen, aber dann blieben ihr die Worte im Hals stecken. Das war auch kein Wunder, denn Gandharva drang in sie ein. Und die Inspektorin wurde überwältigt von der süßen Erinnerung an jene Nacht, als in ihrem Schoß neues Leben entstand…
***
Meditiationszentrum der »Gandharva Society«, Fulham
Road, London, England
Zamorra war beunruhigt.
Immer wieder versagte Merlins Stern in letzter Zeit den Dienst - vermutlich seines Spiegelwelt-Pendants wegen. Bisher hatte das Amulett allerdings immer seine Kräfte zurückgewonnen. Aber wie lange würde das noch so weitergehen?
Der Dämonenjäger musste dieses Problem so bald wie möglich aus der Welt schaffen. Aber momentan war dafür keine Zeit. Schließlich konnte man damit rechnen, dass die feinstoffliche dämonische Bedrohung jeden Augenblick zurückkehrte.
Asha Devi war momentan nicht einsatzbereit. Sie kauerte vor der Gandharva-Statue und befand sich offenbar in einer tiefen Trance. Sowohl Zamorra als auch Nicole hatten mehrfach versucht, sie anzusprechen. Es gab keine Reaktion. Asha glotzte ins Leere wie ein toter Karpfen im Schaufenster von Fischhändler Tessier in Lyon.
Ihre weißmagische Gebetsmühle lag auf dem Boden in Reichweite neben ihr. Notfalls konnte man sich die Waffe zweifellos greifen. Allerdings wusste Zamorra nicht, ob die Gebetsmühle in seinen oder in den Händen von Nicole überhaupt funktionieren würde. Oder ob sie zu jener Art weißmagischer Waffen gehörte, die an ihren Eigentümer gebunden waren.
Momentan deutete allerdings nichts auf einen bevorstehenden Angriff hin. Außer Zamorra, Nicole, Asha Devi und dem Guru befanden sich ungefähr ein halbes Dutzend Anhänger von Meister Nando in dem Saal. Die Blicke der Jünger richteten sich erwartungsvoll auf den Inder in der Aufmachung eines Heiligen Mannes.
Meister Nando saß mit untergeschlagenen Beinen mitten im Raum auf einem Meditationskissen. Zamorra und Nicole standen zwischen ihm und der Götterstatue. Asha Devi hatte allen Anwesenden den Rücken zugewandt. Sie kauerte immer noch in Trance versunken links vor dem Abbild des Gottes Gandharva.
Da ertönte plötzlich ein tiefes Brummen!
Niemand konnte sagen, woher es kam. Das Geräusch drang praktisch aus dem Nichts an die Ohren der Menschen in dem Meditationsraum. Es war richtungslos, hatte keinen Ursprung.
Zamorra und Nicole wechselten einen Blick. Sie erlebten ein solches Phänomen nicht zum ersten Mal. Der Lärm drang vermutlich unmittelbar in ihre Seelen. »Ich schätze, die fremde Kraft hat immer noch nicht aufgegeben«, sagte Nicole.
»Warum sollte sie auch?«, gab Zamorra zurück. »Ihre Chancen sind ja momentan ziemlich gut. Mit der Abwehr eines Dämonenangriffs dürften wir Probleme bekommen.«
Kaum hatte der Dämonenjäger diesen Satz ausgesprochen, als sich Meister Nando aus seiner sitzenden Stellung erhob. Aber dieses Wort war eigentlich zu schwach. Er schnellte empor, ohne zusätzliche Armkraft zu benötigen.
Der Guru stand jetzt genau gegenüber von Zamorra und starrte dem Dämonenjäger in die Augen.
Wollte Meister Nando Zamorra hypnotisieren?
Falls er das versuchte, klappte es jedenfalls nicht. Zamorra bemerkte überhaupt keine geistige Kraft, die sein Bewusstsein erobern wollte. Stattdessen fiel ihm etwas anderes auf.
Der Guru stand nicht auf seinen nackten
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