0788 - Schreckensnacht der weißen Nonne
Sie hatte dabei eine gerade Haltung eingenommen, den Kopf kaum gesenkt, sondern nur die Augen. Ich sah, wie sie ihre Lippen bewegte. »Darin hat sie gelegen«, flüsterte sie. »Ich bin ganz sicher, dass dies ihr Platz gewesen ist.«
»Meinst du die Äbtissin?«
»Wen sonst?«
Ich räusperte mich. »Verdammt, das musst du mir erklären. Ich kann mir bequemere Orte vorstellen als diesen stinkenden Sarg, in dem nicht mal ein Kissen liegt.«
»Ich sage dir, John, dass sie darin gelegen hat. Nicht immer, aber doch hin und wieder.«
»Und der Gestank?«
»Stammt von ihr!«
Hatte ich mich verhört? Dieses Frauenzimmer gab mir immer mehr Rätsel auf. Ich sah das Lächeln auf ihrem Mund. »Verdammt noch mal, Anina, allmählich komme ich mir leicht auf den Arm genommen vor. Was heißt das? Was weißt du? Wie kommst du darauf, dass sie hier gelegen hat? Wenn das stimmt, dann müsste sie diesen verfaulten Gestank abgegeben haben.«
»Das meine ich auch.«
Ich zischte die Luft durch Mund und Nase. »Sorry, aber ich bin wohl zu dumm. Soll ich davon ausgehen, dass die Äbtissin dieses Klosters mit einem vermoderten Körper ausgestattet worden ist?«
»Das könnte hinkommen.«
»Trotzdem hat sie das Kloster geleitet. Ein verwestes Etwas mit einem normalen Gesicht.«
»Sie hat stets sehr weite und weiße Kleidung getragen, John.« Ihre Ruhe regte mich auf, und ebenso ruhig sprach sie auch weiter. »Erinnere dich an unsere erste Begegnung. Sie war eingehüllt in ihre weiße Kleidung. Sie hat dabei auf dem Pferd gesessen, der Wind spielte mit ihrer Kleidung, und wir beide haben den Körper sehen können.«
»Das ist richtig.«
»Kannst du dich noch daran erinnern, wie er ausgesehen hat? War er nicht dunkel?«
Ich wollte etwas sagen und kam nicht mehr dazu, denn hinter uns hörten wir ein böses, kratzendes Lachen.
Wir hatten Besuch bekommen, und ich konnte mir vorstellen, dass es Monica und Larissa waren, die beiden Wächterinnen der verfluchten Teufelsnonne…
***
Reverend Peters hatte nicht einmal bemerkt, dass er auf die Knie gefallen war. Die letzten Sekunden waren einfach schlimm und kaum nachvollziehbar für ihn gewesen, er hatte reagiert wie von einer Mechanik angetrieben.
Als er wieder normal sehen und auch denken konnte, stellte er fest, dass er sich in dieser knienden Haltung befand und durch das zerstörte Portal in das Innere der Kirche schauen konnte. In seiner Nähe lag auch die Tür. Über das Holz hinweg huschten letzte Flammenreste. Der entstehende Rauch drang beißend in seine Nase. Er vernebelte auch sein Gesicht und kräuselte ziemlich dicht über dem Boden.
Reverend Peters wartete nicht darauf, bis der Wind ihn vertrieben hatte, sondern raffte sich hoch. Mit ruckartigen Bewegungen kam er auf die Beine, war noch nicht ganz trittsicher und bog den Oberkörper zurück, bis es in seinem Rücken zog.
Dann erst schaute er in die Kirche hinein, und sein Atem stockte.
Was der Reverend zu sehen bekam, war ungeheuerlich. Die Äbtissin war tatsächlich in die Kirche hineingeritten. Peters hörte deutlich das Klappern der Hufe auf dem Gestein. Die unheimliche Gestalt hockte auf ihrem Tier und schwang den Gegenstand, der für ihn ein Lichtschwert mit anschließendem Kreis war. Sie hatte ihr Pferd in den Mittelgang dirigiert, und dort bewegte sie auch ihren rechten Arm.
Dieses helle Licht wuchtete nach unten. Der Kreis huschte über die Bänke hinweg, und die Macht des ungewöhnlichen Lichts zerstörte das Holz brutal.
Mit schockgeweiteten Augen musste der Geistliche zuschauen, wie das Innenleben seiner Kirche zerstört wurde. Holz brach krachend zusammen, bevor es Feuer fing und die rotgelben Arme in die Höhe schlugen wie tanzende Schleier. Sie waren nicht zu stoppen, weil sie immer mehr Nachschub bekam. Eine Tür brannte lichterloh. Dunkler Hauch wallte durch den Kirchenraum und verdeckte die Gestalt der reitenden Nonne.
Ihre weiße Kleidung leuchtete immer wieder hindurch. Sie sah aus wie ein Gespenst in den Flammen, ohne je von ihnen erfasst zu werden, denn sie schaffte es sogar, das Feuer zu dirigieren, was dem Zuschauer nicht in den Kopf wollte.
Sie ritt zum Altar.
Dabei schlug sie nicht mehr zu. Der Geistliche hatte den Eindruck, dass sich dieses Wesen voll und ganz auf das Zentrum der Kirche konzentrieren wollte.
»Nein!«, keuchte er. »Nein, verdammt, das darf doch nicht wahr sein. Das ist verrückt. Die kann mir nicht die Kirche zerstören!« Er hörte sich selbst schreien, doch kein Laut
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