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08 - Tod Auf Dem Pilgerschiff

08 - Tod Auf Dem Pilgerschiff

Titel: 08 - Tod Auf Dem Pilgerschiff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Tremayne
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es sei schon zu dunkel für den steilen Weg hinauf zur Abtei und sie müsse früh auf sein und mit anderen Nonnen ein Pilgerschiff besteigen. Da nur Murchads »Ringelgans« mit der Ebbe am Morgen auslaufen wollte, hatte er angenommen, dieses Schiff sei gemeint. Er hätte Menma anweisen sollen, dafür zu sorgen, daß das Mädchen rechtzeitig geweckt würde. Der Gastwirt nahm die Sorge um das Wohl seiner Gäste sehr ernst.
    Oben an der Treppe blieb Colla einen Moment stehen, als müsse er für diese Aufgabe erst Mut fassen. Er haßte das Saubermachen. Es war die schlimmste Art von Arbeit in einem Gasthaus. Colla hatte gehofft, sein Schwestersohn würde ihm einen Teil davon abnehmen, denn er selbst hatte nie geheiratet, aber der Bursche war eher eine Belastung.
    Er ergriff den Besen, stieß die Tür zum Gemeinschaftsraum auf und verzog sofort das Gesicht bei dem Gestank aus schalen Weinresten, altem Schweiß und anderen Gerüchen, der sich aus dem Gewirr und Chaos der verlassenen Matratzen erhob. Er beschloß, mit der leichteren Arbeit anzufangen, und wandte sich den Einzelzimmern zu. Die machten weniger Mühe, den wüsten Gemeinschaftsraum würde er sich danach vornehmen.
    Die Türen der Zimmer standen alle offen, mit Ausnahme des letzten. In diesem Zimmer hatte er die spät angekommene junge Frau untergebracht. Colla traute sich eine gute Menschenkenntnis zu. Er vermutete, die junge Frau sei sehr eigen und habe ihr Zimmer aufgeräumt und die Tür geschlossen, bevor sie wegging. Er lächelte zufrieden über seinen Scharfblick und versprach sich im stillen einen Schluck Met, wenn er recht behielte. Dieses Spiel trieb er oft mit sich, als ob er eine Entschuldigung dafür brauchte, daß er sich einen Becher aus seinen eigenen Vorräten genehmigte. Nun fand er aber keinen weiteren Grund, sich abzulenken, und zwang sich dazu, mit dem Putzen anzufangen.
    Er war selbst überrascht, mit welcher Schnelligkeit er jedes Zimmer säuberte, dabei aber doch so gründlich, wie man es bei dem Tempo nicht erwartet hätte. Er war mit seiner Leistung zufrieden, als er bei dem fünften Zimmer anlangte, das die beiden jungen Leute, der Mönch und die Nonne, genommen hatten. Er trat ein. Es wirkte beinahe unbenutzt, das Bett war gemacht. Wenn nur alle seine Gäste so sauber und ordentlich wären! Er freute sich schon, daß er hier nicht viel zu tun hätte, als ihm etwas auf dem Fußboden auffiel. Es war ein dunkler Fleck. Er sah aus, als wäre jemand in etwas hineingetreten, aber es roch nicht nach Exkrementen. Vorsichtig beugte sich Colla nieder und berührte den Fleck mit dem Finger. Er war noch feucht, doch blieb nichts an seiner Hand haften.
    Er sah sich noch einmal im Zimmer um. Sein erster Eindruck bestätigte sich: Es war sehr ordentlich. Verwundert starrte er wieder auf den Fleck.
    Später wußte er nicht mehr, warum er das Zimmer verließ, ohne dort sauberzumachen. Draußen im Flur vor der Tür zum sechsten Zimmer fand er einen weiteren Fleck. Er zögerte einen Augenblick, dann klopfte er an die Tür, hob den Riegel und öffnete sie.
    Das Zimmer lag im Dunkeln, denn der Vorhang vor dem Fenster war nicht aufgezogen worden. Das Licht genügte gerade, damit man die Gestalt auf dem Bett erkennen konnte.
    Colla räusperte sich. »Schwester, du hast verschlafen«, rief er beunruhigt. »Dein Schiff ist fort – ausgelaufen. Schwester, du mußt jetzt aufwachen!«
    Die Gestalt unter der Decke regte sich nicht.
    Colla ging vorsichtig weiter. Er fürchtete sich vor dem, was er finden würde, er wußte instinktiv, daß etwas sehr Schlimmes passiert war. Er zog den Vorhang vor dem Fenster weg, so daß Licht ins Zimmer strömte. Sogleich bemerkte er, daß die Decke auch den Kopf der Gestalt bedeckte, die auf dem Bett ruhte. Auf dem Boden lag ein Schlächtermesser. Er sah, daß es aus seiner eigenen Küche stammte.
    »Schwester?« In seiner Stimme schwang jetzt Verzweiflung mit. Er wollte nicht glauben, was er bereits ahnte.
    Mit zitternder Hand erfaßte er einen Zipfel der Decke. Sie fühlte sich naß an. Ohne hinzusehen wußte er, daß es kein Wasser war. Sanft zog er die Decke vom Gesicht weg.
    Die junge Frau lag da, die Augen weit offen und starr, der Mund vom Schmerz verzogen. Ihre Haut war wachsbleich. Sie mußte schon einige Zeit tot sein. Zutiefst erschrocken zwang sich Colla dazu, den Blick von ihrem blassen, erstarrten Gesicht auf ihren Körper zu wenden. Ihr Hemd aus weißem Leinen war zerrissen und zerfetzt und mit Blut durchtränkt.

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