082 - In den Katakomben der Gräfin Redziwihl
schwere,
bronzefarbene Särge. Einige wenige bestanden aus glattem, schwarzem Marmor und
wiesen kostbare Verzierungen auf.
Das muß eine
Gruft sein!, schoß es Ilonka durch den Kopf.
Wie unter
Hypnose lenkte sie ihren Schritt auf einen der Särge. Blitzende Schilder waren
daran befestigt. Ilonka hielt den Atem an. Namen standen darauf, die sie
kannte. Es waren die der Männer, die im Laufe von fünf Jahren aus Merdagve
verschwunden waren.
Kreidebleich
stieg in ihr eine furchtbare Ahnung auf.
Tot, dröhnte
das Wort in ihrem Kopf. Sie waren alle tot! Die Männer aus dem Dorf waren einer
blutgierigen Mörderin zum Opfer gefallen.
Ihr
Pulsschlag beschleunigte sich.
»Malek«,
entrann es ihren bebenden Lippen.
Gehetzt
blickte sie sich um: Weit und breit war keine Spur von der unheimlichen Gräfin.
Aber sie
mußte in der Nähe sein.
Ilonka
tastete sich benommen an den Nischen mit den großen Bronzesärgen und
Sarkophagen vorbei, während sie nachdachte.
Die
furchtbare Bewohnerin dieses Schlosses und ihr gorillaartiger Begleiter mußten
in diesem Augenblick irgendwo hier unten sein. Vielleicht in einem Sarg?
Das wäre ein
ideales Versteck. Ein solcher Unterschlupf bot sich geradezu an.
Ein seltsames
Lächeln stahl sich auf ihre Lippen, als sie stehenblieb. »Jetzt hab ich dich«,
murmelte sie. »Jetzt entkommst du mir nicht mehr!« Sie lachte leise. Wie irr.
Fest umschloß
ihre Rechte das breite Schwert, und sie näherte sich einen der Sarkophage.
Ihr
Herzschlag stockte, als ihr Blick auf das polierte Schild fiel, in dem in
verschnörkelten Buchstaben ein Name graviert war.
Malek Tuave.
Darunter ein
Datum: 14. August 1637.
●
Ilonka Tuave
zitterte.
Alles vor
ihren Augen verschwamm.
Ihr Verstand
schaltete ab, und sie registrierte erst wieder bewußt ihr Handeln, als sie
bereits versuchte, den Sargdeckel zu heben.
Das war nicht
leicht.
Sie schob das
Schwert in den schmalen Spalt zwischen Deckel und Seitenwand und versuchte zu
lockern. Doch das war nicht nötig. Der Deckel lag lose auf, war allerdings so
schwer, daß sie es unmöglich schaffte, ihn allein anzuheben. Aber sie
versuchte, ihn auf die Seite zu schieben.
Sie
erforderte ihre ganze Kraft.
Lag Malek
wirklich in diesem Sarkophag?
Endlich
rutschte der Deckel so weit zur Seite, daß die Hälfte des Sarkophags frei vor
ihr lag. Ilonka mußte sich ein wenig vorbeugen, um den Sarginhalt besser sehen
zu können.
Das Schwert
lag auf dem breiten Marmorrand, und sie hielt die fast abgebrannte Fackel nach
vorn, um in den Sarg zu leuchten - und konnte nicht an sich halten.
»Maaaleeek!«
Ihr gellender Schrei zerriß die Stille und hallte durch die Katakombe. Das Echo
aus der Tiefe des Gewölbes antwortete ihr wie höhnisches Gelächter.
●
Mit
ausgebrannten Augen starrte sie ihn an.
Er lag wie
schlafend da. Mit geschlossenen Augen.
Ilonka Tuave
entdeckte keine äußere Verletzung an ihm. Ihr fiel allerdings die ungewöhnliche
Blässe auf. Malek Tuave sah aus, als wäre er als blutleere Hülle in den
Sarkophag gelegt worden. Über Ilonkas kreidebleiches Gesicht perlte der
Schweiß. Wie aus weiter Ferne nahm sie ein leises Geräusch wahr - und einen
Schatten. Sie spürte noch, daß sie in Gefahr schwebte, und wirbelte herum. Doch
sie kam nicht mehr dazu, nach dem Schwert zu greifen.
Der mächtige
Schatten stieß nach ihr. Mihail Blako schob die junge Frau mit einer einzigen
Hand in den Sarkophag.
Die Fackel
rutschte zu Boden.
Ilonka sah die
Wand gegenüber, die unterste Nische. Diese Wand war halb zurückgeschoben.
Dahinter befand sich ein Hohlraum, in dem unruhiges Licht flackerte. Ein
blitzender, metallischer Sarg - wie vergoldet - stand offen darin.
Dort lag eine
bildhübsche Frau, geschmückt wie eine Braut. Ein kostbares Collier zierte ihren
Hals. Der Raum, in dem der Sarg stand, war mit Schmuckstücken ausstaffiert.
Überall
blitzte und blinkte es.
Die Frau
bewegte sich nicht mehr. Es war die Gräfin Redziwihl.
Auf einem
kleinen Tisch neben dem Sarg standen zwei Becher, einer davon geleert.
Dann kamen
die Nacht und das Grauen.
Mihail Blako
riß die Steinplatte nach vorn und verschloß den Sarg.
Ilonka Tuave
war eingeschlossen.
Sie schrie,
aber keiner hörte sie. Dann schlug sie gegen die Innenwand und gegen den
Deckel. Doch das Gestein war hart, und ihre Haut platzte auf.
Panikstimmung
erfüllte die junge Frau.
Sie lag bei
ihrem toten Mann im Sarg!
Die Fackel
brannte noch immer. Die Flammen züngelten an der
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