0826 - Der knöcherne Hexer
fühlte sich nicht mehr sicher, etwas Unheimliches lauerte auf sie, als wollte es sich dafür rächen, was dieser Höhle durch Swenja angetan worden war.
Sie drehte sich schnell auf der Stelle. Der Lampenstrahl huschte über das Mauerwerk hinweg, und wieder hatte sie das Gefühl, als würden die Einschlüsse aufsprühen. Aber es tat sich nichts.
Kein Grund zur Beruhigung. Sie blieb allein. Aber das Gefühl hatte sich festgesetzt, und über ihren Rücken rannen die Schauer immer dichter.
Die Luft hatte sich objektiv nicht verändert. Subjektiv schon, denn Swenja hatte den Eindruck, dass dieses andere von ihr Besitz ergreifen wollte und mit jedem Atemzug tiefer in sie eindrang. In ihrem Kopf spielten sich zudem Dinge ab, die sie sich selbst nicht erklären konnte.
Es waren keine Stimmen, obwohl sie sich so anhörten. Es war ein leises Rauschen, ein fernes Murmeln, als hätte sich ihren Ohren ein Geisterreich geöffnet.
Swenja taumelte. Ihre Sicht war längst nicht mehr so klar wie sonst. Der Eingang, den sie als helleren Fleck nicht aus den Augen gelassen hatte, tanzte plötzlich hin und her. Hinter ihrer Stirn veränderte sich der Druck, er nahm an Stärke zu, und sie empfand ihn als eine regelrechte Bedrohung.
Sie musste weg!
Swenja fiel es schwer, die ersten Schritte zu gehen. Jemand schien unsichtbare Schlingen um ihre Waden gelegt zu haben, die sie festhielten, aber sie raffte sich auf und setzte den Weg zum Ausgang stolpernd fort. Den Arm mit der Lampe hatte sie sinken lassen. Der Lichtstrahl folgte den Bewegungen der Schritte mit und tanzte dabei über den steinigen Untergrund.
Die Luft schmeckte anders. Nach Rauch, vielleicht sogar nach Schwefelgasen, so genau wusste die Frau es nicht. Ihr Wille verwandelte sich in eine Peitsche, die sie immer näher auf den Eingang zutrieb. Sie musste es schaffen, sie würde wieder ins Freie gelangen und nicht zusammenbrechen. Sie dachte an ein gefährliches Gas, das aus irgendwelchen Löchern strömte und sie benebelte.
Die letzten Schritte. Kühle Luft!
Swenjas Gesicht war verzerrt. Weit riss sie ihren Mund auf und saugte die Luft in die Lungen. Sie hörte das Rauschen der Wellen und das harte Klatschen, mit dem das Wasser gegen die Felsen wuchtete. Es war die normale Welt, die sie wieder umfangen hielt.
Ihre Füße schleiften durch den feuchten Sand, der ihr vorkam wie klebriger Leim. Die Frau hielt sich nur mühsam auf den Beinen. Sie torkelte dorthin, wo ein Felsklotz aus dem Sand ragte, der flach genug war, um ihr als Sitzplatz zu dienen.
Dort ließ sie sich nieder und wunderte sich über ihr heftiges Atmen. Sie keuchte wie eine Läuferin nach einem langen Lauf, die Lungen brannten, im Kopf tuckerte es, und es schien ihr, als wäre jemand dabei, sie auszulachen.
Trotz der leichten Kunststoffumhüllung war ihr die Lampe zu schwer geworden. Sie rutschte ihr aus der Hand und blieb im feuchten Sand liegen. Swenja selbst hob die Arme an und presste die Hände gegen ihr Gesicht. An der Haut klebten kleine Sandkörner, und sie scheuerten auf ihren Wangen, als sie die Hände bewegte.
Nur allmählich ging es ihr besser. Ihr Herzschlag beruhigte sich wieder, das Zittern hörte auf, die Gänsehaut verschwand wieder.
Allmählich schaffte sie es, wieder klar nachzudenken, und sie merkte, wie sich ihre Nerven beruhigten.
Irgendetwas hatte sich in der Höhle hinter ihr befunden. Sie konnte nicht sagen, was es war, aber es musste eine unheimliche Kraft gewesen sein.
Sie dachte an Erdstrahlen.
So etwas gab es ja. Von Wünschelrutengängern aufgespürt oder von sensitiven Menschen erfasst, doch das alles wies sie dann von sich. Nein, das musste etwas anderes gewesen sein, etwas, das nicht erklärbar war und ihr reales Weltbild ins Wanken brachte.
Hatte sie es vielleicht mit anderen Dingen zu tun? Mit übersinnlichen? Mit Geistern?
Sie dachte an die Knochen.
Es waren menschliche Gebeine, die Reste ertrunkener Seeleute, die sich auf einem bestimmten Schiff befunden hatten. Um dieses Schiff gab es ein Geheimnis, es war ein alter Segler gewesen mit einer Mannschaft, die sich angeblich aus den Mitgliedern eines Geheimbundes zusammengesetzt hatte.
Man sprach von Templern oder Rosenkreuzern…
Genaues wusste man nicht. Es hatten nur Andeutungen in den alten Unterlagen gestanden. Nun ja, wie dem auch sei. Die Gebeine hatte sie gefunden, das war schon viel wert. Aber deren Geheimnis und deren Herkunft musste sie noch auf den Grund gehen.
Das letzte Erlebnis in der Höhle
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