0829 - Der Alpen-Teufel
als in der Familie.«
»Und die Verbrechen!«
»Sensationsmache.«
Suko hob die Schultern. »Ich weiß nicht, aber ich bin hier über etwas gestolpert, das mich schon zum Nachdenken bringt.«
Ich schenkte mir Kaffee nach und fragte: »Was ist es denn, bitte sehr?«
»Der Alpen-Teufel!«
Beinahe wäre mir die Silberkanne entglitten. Auch die beiden Quentins schauten auf, und Iris nahm mir die Frage praktisch aus dem Mund. »Hast du Alpen-Teufel gesagt, Suko?«
»Du hast dich nicht verhört.«
»Und was ist das für einer?«
Suko ließ die Zeitung sinken, so daß wir ihn jetzt alle sehen konnten.
Mir fiel auf, wie ernst sein Gesicht dabei war. »Der Alpen-Teufel ist ein brutaler Killer. Ein Mörder, der kein Erbarmen kennt. Er ist die Grausamkeit in Person, ein Magier, des Bösen, einer, der mit der Hölle im Bunde steht.«
Keiner lachte über seine Worte, auch ich blieb ernst. Ich wußte, daß Suko nicht gespaßt hatte, und ich fragte leise über den Tisch hinweg: »Woher weißt du das alles?«
»Es steht in der Zeitung. Ein vierfacher Ritualmörder, der in Tirol sein Unwesen treibt, als das sehen ihn die Zeitungen an. Die Reporter haben natürlich die Informationen von den Bewohnern der Täler erhalten, und jetzt befürchten sie, daß viele Urlauber wegbleiben. Die Wintersaison steht vor der Tür…«
»Viermal hat er getötet?« fragte Harold Quentin flüsternd.
»Ja, und das auf verdammt bestialische Weise. Ich möchte mir die Einzelheiten ersparen und auf Iris Rücksicht nehmen, aber es gibt Bewohner in den Tiroler Dörfern, die vor ihm zittern. Er muß furchtbar sein.«
»Aber das ist doch kein Teufel«, sagte Iris. »Bestimmt ein Mensch.«
Suko runzelte die Stirn.
»Nein…?«
»Ich weiß es nicht, Iris. Auch wenn er ein Mensch ist, möchte ich ihn als Teufel ansehen, denn so schlimm kann kein Mensch sein. Unter anderem hat er auch ein junges Mädchen getötet, beinahe noch ein Kind. Die Menschen sind natürlich voller Panik, sie haben Angst. Man hat Leute interviewt. Was immer er ist oder sein mag, er stellt eine verdammt große Gefahr dar.«
Ich wußte, worauf Suko hinauswollte. »In Tirol, sagst du, treibt er sein Unwesen?«
»Ja.«
Als ich lächelte, lächelte er ebenfalls. »Weit ist es nicht, John, wirklich nicht.«
Ich raufte mir zwar nicht die Haare, aber mein Gesicht sprach Bände. »Du willst also hin?«
»Ich denke, daß uns einige Tage außerhalb von London guttun würden. Das Wetter ist wunderbar, und Urlaub haben wir beide auch noch.«
»Stimmt.«
»Und wenn wir nebenbei versuchen, diesem Teufel, wer immer sich auch dahinter verbergen mag, das Handwerk zu legen, wäre doch allen gedient, denke ich.«
Mein Grinsen wurde zur Maske. »Im Prinzip stimme ich dir zu, aber wie sage ich es meinem Kinde?«
»Du meinst, Sir James?«
»Richtig.«
»Das könntest du übernehmen. Von einem Alpen-Teufel brauchst du nichts zu sagen. Wir machen ›nur‹ ein paar Tage Urlaub. Dazu noch im November, das ist doch was. Andere gehen im Sommer. Er kann wirklich nichts dagegen haben.«
»Nur sind wir zu zweit.«
»Deshalb wird er schon nicht untergehen.«
Allmählich wurde auch Harold Quentin bewußt, was wir vorhatten. »Sie wollen wirklich nach Tirol fahren und sich um diesen… diesen Alpen-Teufel kümmern?«
»Das hatten wir vor«, sagte ich.
Er schlug die Hände vor sein Gesicht. »Himmel, da komme ich nicht mit. Das ist Irrsinn, das ist…«
»Sie fliegen wieder zurück nach London und bestellen den Conollys die besten Grüße.«
»Ich weiß nicht«, sagte er. »Ich… ich… kann mich da nicht hineindenken.«
»Du bist einverstanden?« fragte Suko.
Ich schnickte mit den Fingern. »Gib mir zunächst mal die Zeitung. Das muß ich lesen.«
Niemand gab einen Kommentar ab, als ich mich mit dem Bericht beschäftigte. Je länger ich las, desto kräftiger wurde der Schauer, der über meinen Rücken rieselte.
Was da geschehen war, konnte man nicht fassen. Da lief ein Monstrum umher, ein Tier, das Menschen auf brutale Weise getötet hatte, und der Begriff Alpen-Teufel war nicht übertrieben.
Als ich die Zeitung sinken ließ, schaute Suko mich an und fragte: »Wie hast du dich entschieden, John.«
Ich blies die Luft aus. »Okay, mein Freund, ich denke, wir sollten nach Tirol fahren…«
***
Die Kellnerin ging vor. Zwei, drei schleifende Schritte. Sie drückte sich zwischen wuchtigen Holztischen hindurch und hielt dabei beide Hände in einer unnatürlichen Haltung gegen den Leib
Weitere Kostenlose Bücher