0861 - Gefangene der Namenlosen
– konzentriert auf verschiedene Körper. Zwei Gegenpole, die zusammenwuchsen. Sie haben so etwas wie eine Kernschmelzung erlebt. Was dort als Ergebnis herausgekommen ist, kann nur als einmalig und für Menschen unbesiegbar bezeichnet werden. Der Engel hat sein Erbe hinterlassen, sogar ein doppeltes, und es ist stärker als er, das können Sie mir glauben«
»Ich kann es auch lassen«, sagte der Abbé. Er nickte Suko zu.
»Jetzt wollen wir in den Keller oder in das Verlies, wie auch immer. Wir hassen es nämlich, wenn Menschen gegen ihren Willen festgehalten werden.«
Gitta, die Namenlose Nonne, wußte im ersten Moment nicht, was sie antworten sollte. Sie war zu überrascht, aber sie hatte auch den Willen des Abbé erkannt, sich nicht aus der Ruhe bringen zu lassen.
Und der Chinese, der große Schweiger, machte ebenfalls einen entschlossenen Eindruck.
»Wo finden wir den Keller?«
»Kommen Sie mit!« Ohne auf die Antwort zu warten, drehte sich die abtrünnige Nonne um und ging vor.
Suko gab seinem Begleiter einen Wink, den dieser auch verstand.
So machte der Abbé den Anfang und schritt hinter Gitta her. Suko wartete noch einige Sekunden. Ihm war alles zu glatt gelaufen. Die Namenlose Nonne hatte sich zu schnell bekehren lassen, er fürchtete, daß das dicke Ende noch nachkam.
Aus diesem Grunde war er auf der Hut, schaute sich immer wieder um, suchte nach irgendwelchen Hinterhalten, die im Halbdämmer der Halle leicht aufgebaut werden konnten. Zwei dieser Gestalten hatten sie bisher zu Gesicht bekommen. Wie viele abtrünnige Nonnen noch hinter den Mauern lebten, darüber lohnte es sich nicht einmal zu spekulieren.
Es gab mehrere Ausgänge. Hinter den dunklen Türen versteckten sich Gänge und Flure.
Gitta lief auf eine bestimmte Tür zu. Dahinter ballte sich abermals eine Dunkelheit zusammen.
Der Abbé sah den Beginn einer Treppe. Schon bald verschwanden die Steinstufen in der Düsternis.
»Sie werden diesen Weg gehen müssen!« erklärte Gitta, die ebenfalls stehengeblieben war.
»Ja, aber nicht allein. Gehen Sie vor. Und Sie werden es auch sein, die die Tür der Zelle öffnet.«
Harte Augen starrten den Abbé an.
Die Nonne machte den Eindruck einer Person, die nicht gehen wollte, es sich dann aber anders überlegte und nickte. Sie ging tatsächlich vor. Licht brauchte sie nicht. Sie kannte sich aus und schleifte zudem mit der Hand an einem Geländer an der rechten Seite entlang.
Gitta mochte sich zwar hier unten im Dunkeln zurechtfinden, das aber gefiel Suko ganz und gar nicht. Er holte seine Leuchte hervor und ließ den schmalen Lichtfinger über die Stufen tanzen, die immer nur in der Mitte erhellt wurden, was aber durchaus ausreichte, um ein Stolpern oder Ausrutschen zu vermeiden.
Tiefer und tiefer führte die Treppe. Bis sie urplötzlich vor der letzten Stufe standen. Auch die ließen sie hinter sich. Suko leuchtete zu verschiedenen Seiten hin.
Sie standen in einem engen, kalten Gang mit Wänden aus unebenen Granitsteinen. Wer hier einmal lebendig begraben war, der war es für alle Ewigkeit, abgesehen von den vergitterten Fenstern, durch die aber kein Gefangener entweichen konnte.
»Wo?« fragte Suko. Er hatte Gitta dabei angeleuchtet, was der ganz und gar nicht gefiel, denn zum Schutz gegen das Licht hob sie die Hand vor ihr Gesicht.
Sie drehte sich um. Ohne ein Wort zu sagen, ging sie vor.
Allerdings nicht sehr weit. Vor einer etwas von der Mauer abstehenden Holztür blieb sie stehen und deutete mit dem Finger gegen die Mitte.
Der Abbé nickte. »Aufschließen!«
Gitta bewegte sich. Ihre Hände verschwanden in irgendwelchen Taschen, die normalerweise nicht sichtbar waren. Sie holte tatsächlich einen Schlüssel hervor und brauchte auch kein Licht, um die Schloßöffnung zu finden. Der Schlüssel glitt hinein und ließ sich leicht drehen. Die Tür war offen.
Suko schob sie mit dem Fuß auf. Augenblicklich erhellte sich die Umgebung, weil durch das Gitterfenster genügend Tageslicht floß.
Es war kaum zu glauben, daß sich die Personen hier tief unter der Erde befanden, aber das abfallende Gelände ließ eine derartige Bauweise zu.
Naomi stand vor dem Fenster. Sie schaute zur Tür hin, und zum erstenmal sahen der Abbé und Suko sie in voller Größe. Sie war noch ziemlich jung, sah aber schlecht aus.
Das braune Haar umgab ihren Kopf als eine wilde Flut, die Haut sah so krank und bleich aus, und das schlichte Kleid ließ kaum Umrisse ihrer Figur erkennen.
Die Augen lagen tief in den
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