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0862 - Der Leichenmantel

0862 - Der Leichenmantel

Titel: 0862 - Der Leichenmantel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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Lichtfinger strich ich den Körper ab, weil ich nach Wunden suchte.
    Kein Blut, keine Wunde, keine Würgemale am Hals, keine Verletzung am Kopf, einfach nichts. Die Namenlose Nonne lag auf dem kalten Boden und war einfach nur tot.
    Ich holte durch die Nase Luft und schüttelte den Kopf. Es wollte mir einfach nicht in den Sinn, ich suchte nach einer Lösung und leuchtete noch einmal das Gesicht ab, besonders auch die Umgebung des Mundes. Die Lippen waren nicht geschlossen. Durch den Zwischenraum schimmerten die Zähne, aber ich sah noch mehr, denn an den Mundwinkeln hatten sich kleine Bläschen gebildet.
    Suko hatte sich ebenfalls hingehockt und sehr genau zugeschaut. »Fällt dir was auf?« fragte er mich.
    »Das gleiche wie dir.«
    »Was schließt du daraus?«
    »Gift.«
    »Richtig. Sie ist vergiftet worden.«
    »Oder sie hat sich vergiftet.«
    Er nickte. »Auch das.« Dann drehte er seinen Kopf nach links und räusperte sich leicht. »John, ich könnte dich ja jetzt etwas fragen, und du kannst dir auch denken, was es sein wird.«
    »Die anderen, nicht?«
    »Genau. Die ist tot. Was ist mit den übrigen Frauen? Sind sie ebenfalls umgekommen?«
    Ich gab ihm keine Antwort und erhob mich. Für einen Moment lehnte ich mich gegen die kahle Wand. Dabei schaute ich über den Körper hinweg nach vorn.
    Zu sehen war nichts. Der Strahl meiner Lampe geisterte ins Leere, zeigte die Türen, die zu den einzelnen Zimmern führten.
    »Wir sehen dort nach«, sagte Suko und setzte sich bereits in Bewegung. Seine Stimme hatte auch nicht mehr so sicher geklungen wie sonst. Er rechnete auch mit dem Schlimmsten.
    Die Atmosphäre war plötzlich bedrückend und eisig geworden. Ich hatte auch eine Antwort gefunden. Ja, man kann den Tod riechen, und ich hatte ihn gerochen.
    Vor uns lag eine tote Nonne. Trotzdem waren wir nicht zufrieden. Auch nicht in einem anderen Sinne. Das konnten wir überhaupt nicht sein. Beide kamen wir uns vor wie Bergsteiger, die zunächst einmal ein Massiv überwunden hatten und nun vor dem nächsten standen, das noch höher war als das erste.
    »Woran denkst du?« fragte Suko.
    »An nichts.«
    »Lüg nicht.«
    Ich ballte die Hände zu Fäusten. »Laß uns weitersuchen. Es könnte ja sein, daß wir auf einige Überraschungen treffen. Ich kann nicht nachvollziehen, was in dieser Zeit geschehen ist, in der wir nicht hier im Kloster gewesen sind.«
    Suko gab mir keine Antwort. Er konnte sie sich denken, ebenso wie ich. Das hinderte uns nicht daran, die Türen aufzudrücken, von denen glücklicherweise keine verschlossen war. Wir leuchteten in jeden Raum hinein und entdeckten überall die gleiche Einrichtung.
    Das Bett, ein schmaler Schrank, ein Regal, ein Stuhl und auch ein schlichter Tisch.
    Nur keine Namenlose Nonne. Weder eine tote, noch eine lebende. Die Bewohnerinnen schienen sich in Luft aufgelöst zu haben, das wiederum wollte ich nicht glauben.
    Nur in einem Raum erlebten wir eine Überraschung. Dicht nebeneinander standen dort zwei Kinderwiegen, die mit reichlich Stoff bespannt waren.
    »Hier also hat man sie hingelegt«, murmelte ich. Ein kleines Oberbett hob ich an.
    Die Wiege war leer.
    Die zweite ebenso. Sie wurden nicht gebraucht, denn es gab Josephiels Erben nicht mehr. Sie waren ebenso eingegangen wie ihr Vater, der abtrünnige Engel. Sie hatten sich gegen die Macht des Kreuzes stemmen wollen, und das war ihnen nicht gelungen.
    Es tat mir gut, wenn ich daran dachte, denn das munterte mich ein wenig auf.
    Suko war schon weitergegangen und hatte die anderen Kammern durchsucht. Er kehrte zurück, und sein Körper erschien in der offenen Tür wie ein kantiger Schatten.
    »Und?«
    »Nichts, John, gar nichts. Ich habe keine einzige Nonne gefunden. Weder lebend noch tot.«
    »Das dachte ich mir.«
    »Aber es muß weitergehen, verflixt!«
    Ich deutete mit dem Daumen nach unten. »Wollten wir nicht in den Keller gehen?«
    »Sicher.« Mein Freund drehte sich um. »Warte, ich gehe vor, den Weg kenne ich ja.«
    Rätsel über Rätsel. Ich machte mir Vorwürfe, daß wir erst so spät ins Kloster zurückgekehrt waren, aber wir hatten im Dorf noch viel zu tun gehabt. Außerdem war die tote Serafina noch abgeholt wurde, und wir hatten auch mit den Männern der zuständigen Polizeibehörde aus Bellinzona gesprochen.
    Die Kollegen hatten sich ebenfalls ratlos gezeigt. Sie waren zudem der Meinung, daß jemand, der hier in der Einsamkeit der Berge lebte, mit der übrigen Welt nichts zu tun haben wollte. Hier waren nie

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