0871 - Zentrum der LÃŒge
sind Sie nach Bostell gelangt?"
fragte er weiter.
„An Bord eines Handelsraumers. Ich habe den Kommandanten bestochen."
Zu seiner Überraschung schien Haraigh das zu glauben. Wahrscheinlich geschahen solche illegalen Dinge öfter, als Plondfair bisher angenommen hatte. Haraigh fragte nicht einmal nach dem Namen des Schiffes.
„Und was haben Sie im Tempel gesucht?" wollte er wissen.
„Ich suchte nach einem geeigneten Versteck, wo ich auf die Ankunft meiner Nährmutter warten wollte." Diese Erklärung erschien einleuchtend, und Plondfair hoffte, daß die Kryn sich damit zufrieden gaben.
Der Mann, den Haraigh in den Nebenraum geschickt hatte, kam jetzt zurück.
„Unter der lufkischen Gruppe, die derzeit über das Rad geht, befindet sich tatsächlich eine Frau von Kschur, die sich Koßjarta nennt", sagte der Kryn.
„Soweit scheint die Geschichte zu stimmen", meinte Haraigh. „Auf jeden Fall warten wir Gainths Antwort ab, bevor wir irgend etwas entscheiden. Und Sie, Plondfair?
Wie stellen Sie sich Ihre Zukunft vor?"
„Ich werde nach Välgerspäre gehen", erwiderte Plondfair. „Ich bin von dem Alles-Rad berufen worden und werde meiner Berufung nachkommen."
„Das dürfen wir nicht zulassen!" mischte sich Beraik ein. „Ein Betrüger wie er darf niemals zum heiligen Sitz des Alles-Rads gebracht werden."
In diesem Augenblick erhielt Haraigh aus den Händen eines jungen Kryn eine schriftliche Botschaft. Er studierte sie aufmerksam und wandte sich dann an die Umstehenden: „Gainth bestätigt die Geschichte unseres Gefangenen. Er will jedoch selbst nach Bostell kommen, um das Verhör fortzuführen."
„Solange brauchen wir nicht zu warten!"
protestierte Beraik. „Wir haben ihn überführt und können ihn verurteilen."
„Das soll Gainth entscheiden", meinte Haraigh vorsichtig und gab damit deutlich zu erkennen, welche Position er im Vergleich zu Gainth in der Priesterhierarchie des Torgnisch-Systems innehatte. Haraigh wollte sich nicht festlegen.
Eigentlich hätte Plondfair erleichtert sein sollen, doch die bevorstehende Ankunft Gainths bereitete ihm Kopfzerbrechen.
Gainth war kein Mann, den man mit ein paar Ausreden und Lügen überzeugen konnte.
Mit seiner Intelligenz und Weitsicht würde er alles durchschauen und versuchen, den Dingen auf den Grund zu gehen. Plondfair überlegte, wie viel von der Wahrheit er preisgeben mußte, wenn er Gainth erst einmal gegenüberstand. Danach war es fraglich, ob man ihn jemals nach Välgerspäre bringen würde.
*
Plondfair wurde in einem der hinteren Räume des Büros gefangengehalten bis Gainth auf Bostell eintraf. Als er dem Kryn schließlich gegenüberstand, machte dieser keinen so konzentrierten Eindruck, wie Plondfair eigentlich befürchtet hatte. Gainth schien gereizt und ungeduldig, es war deutlich zu erkennen, daß er noch andere Probleme hatte als ausgerechnet einen widerspenstigen Berufenen.
Daß er trotzdem nicht unterschätzt werden durfte, bewies er damit, daß er alle anderen Priester hinausschickte, um allein mit dem Lufken zu sprechen.
„Das Ende Ihrer Flucht war vorgezeichnet", warf er Plondfair vor. „Es überrascht mich, daß Sie überhaupt soweit gekommen sind. Ohne fremde Hilfe wäre dies nicht möglich gewesen."
Da er keine direkte Frage gestellt hatte, zog Plondfair es vor zu schweigen.
„Ich weiß nicht, ob ich Sie richtig einschätze", fuhr Gainth fort, als spreche er mehr zu sich selbst. „Sie sind in Ihrer Persönlichkeit auf eine schwer zu bestimmende Weise gespalten. Auf der einen Seite präsentieren Sie sich als der überhebliche Berufene, der sich seinen Artgenossen überlegen fühlt – auf der anderen Seite scheinen Sie aber auch einen tiefgründigen Wesenzug zu besitzen. Ich frage mich nur, welcher von beiden Sie zu Ihrer unsinnigen Tat beeinflußt hat."
„Ich bin mir darüber im klaren, daß ich einige schwere Fehler begangen habe", sagte Plondfair.
Gainth sah ihn nachdenklich an.
„Sie bereuen überhaupt nichts", stellte er kategorisch fest. „Vom Standpunkt des normalen Wyngers, der an das Alles-Rad glaubt, könnte man Sie sogar als Ketzer bezeichnen."
Plondfair fühlte sich durch diese Worte alarmiert, denn sie schienen zu signalisieren, daß Gainth sich dazu entschließen könnte, ihm den Weg nach Välgerspäre zu verbauen.
„Ich kann Sie wahrscheinlich nicht nach Starscho begleiten", fuhr Gainth fort. „Dort sammeln sich die Berufenen und bereiten sich für die Reise nach Välgerspäre
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