0882 - Der Sonnen-Dämon
das Lachen als störend. Auch die anderen Gestalten wurden unruhig und starrten ihren Anführer böse sowie zweifelnd an.
Urplötzlich stoppte er sein Gelächter. Die Stille wirkte erdrückend. Nicht sehr lange, denn der Verletzte streckte seinen gesunden Arm aus. Sein Zeigefinger deutete auf den Jungen. »Schaut ihn euch an, verdammt! Schaut euch diesen kleinen Hosenscheißer an, der gekommen ist, um uns Befehle zu erteilen. Ausgerechnet uns, wo wir hier eine Macht sind. Uns gehört die Brücke, uns gehört alles, was hier entlanggeht, auch er!« Der Typ nickte. »Hör zu, Kleiner, ich bin der Schatten. Man nennt mich so, weil ich so verdammt schnell bin. Und ich sage dir, daß ich mich an diesem Abend schon verdammt oft geärgert habe. Ich will nicht, daß mich so ein kleiner Scheißer wie du noch weiterhin ärgert. Hast du verstanden?«
Kinok schwieg.
»Ob du verstanden hast?« brüllte der Schatten.
Der Junge gab eine Antwort. »Ihr sollt ihm nichts tun«, sagte er und nickte in Laroches Richtung.
»Ihr sollt ihn ganz einfach nur in Ruhe lassen, mehr nicht.«
Der Schatten war für einen Moment sprachlos. Mit einer derartigen Erwiderung hatte er nicht gerechnet. Er mußte zweimal nach Luft schnappen, um einmal sprechen zu können. »Sag mal, Kleiner, bist du verrückt oder irre? Lebensmüde oder wie? Du kannst nicht bestimmen, was wir zu tun haben. Das ist unser Reicht, wir haben es aufgebaut, wir werden es auch verteidigen. Ich glaube, ich spinne.« Er holte noch einmal Luft und wischte über seine feuchten Lippen. »Weißt du eigentlich, was wir mit dir machen werden, Kleiner? Wir werden dich packen und in den Fluß werfen. Das schaffe ich mit einer Hand. Ich hoffe für dich, daß du in deinem komischen Kaftan da schwimmen kannst, ansonsten hast du Pech gehabt.« Jetzt fuchtelte er mit dem Messer herum. Die Klinge hatte durch den Schein der Glut eine blutrote Färbung bekommen. »Hast du mich jetzt verstanden? Es war deine letzte Chance. Hau endlich ab, verdammt!«
Jeder wäre gegangen, hätte fluchtartig die Nähe der Brücke verlassen.
Nicht so Kinok. Er blieb stehen. Seinen Kopf hatte er etwas bewegt und zur Seite gelegt. Es sah so aus, als wäre er dabei, auf die nächste Aktion zu warten.
Durch diese Haltung oder Nichtreaktion hatte er den Schatten in einen Zugzwang gebracht. Er mußte jetzt etwas tun, um sein Gesicht nicht zu verlieren.
Deshalb ging er vor. Beobachtet von seinen Bandenfreunden, die sich zurückhielten und alles ihrem Anführer überließen, obwohl dieser verletzt war. Vielleicht spürten sie, daß dieser Junge anders und fremder war als die übrigen Kinder in seinem Alter.
Nur der Schatten dachte nicht daran. Er ging den ersten Schritt, dann den zweiten.
Auch Laroche beobachtete ihn. Er dachte darüber nach, ob er diesen jungen Mann hassen sollte, und er war sich nicht im klaren. Ob der Schatten ihn tatsächlich hatte töten wollen, stand nicht fest aber Laroche wollte auch nicht, daß der Junge selbst in sein Verderben lief, zumindest nicht ungewarnt.
»Ich würde an deiner Stelle stehenbleiben!«
Der Verletzte stoppte tatsächlich. Aber nur, um seinen Kopf nach rechts zu drehen, damit er Laroche anschauen konnte. »Du bist später an der Reihe. Erst werde ich dem Kleinen mein Zeichen in den Balg schnitzen. Danach werfe ich ihn ins Wasser.«
Laroche blieb unbeeindruckt. Er konnte selbst nicht sagen, woher er plötzlich wußte, wie überlegen der Junge mit den goldenen Augen dem Schatten war, es war für ihn einfach eine Tatsache, und er wiederholte seine Warnung noch einmal.
Das Gesicht des Schattens verzerrte sich. »Halt die Schnauze!«
»Ich wollte es dir nur sagen!«
»Klar, ich weiß!«
Er ging wieder vor. Seine Freunde schauten ihn an. Das Mädchen machte einen Schritt auf ihn zu.
Es sah so aus, als wollte es auch einen zweiten gehen, hielt sich aber zurück. Dafür flüsterte es dem Schatten etwas zu. Der schüttelte nur den Kopf.
Kinok wartete. Er hatte sich nicht mehr bewegt. Er wirkte trotzdem locker und unverkrampft. Der Blick dieser fremd wirkenden Augen hatte etwas Skeptisches, als könnte er es selbst nicht fassen, daß jemand so dumm war und nicht auf gewisse Warnungen hörte.
Der Schatten war dumm.
Er ging den nächsten Schritt. Am Feuer war er bereits vorbei, und die meisten Zuschauer schauten bereits auf seinen Rücken. Den Arm mit der verletzten Hand hatte er nach unten durchhängen lassen, er verließ sich voll und ganz auf seine Linke.
Der
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