0894 - Seelenbrand
Berührung verschwunden, und fast im selben Atemzug war die Tür des Raumes aufgestoßen worden.
Im Schein einer Kerze war eine schlanke Männergestalt erkennbar geworden. Dann war der Kerzenschein erloschen, und sie hatte sich mit bebender Stimme an den Mann gewandt, der ihr einerseits fremd vorkam, andererseits aber auch… alles andere als das.
Wenig später waren Schritte aufgeklungen, und nun… im Schein einer neuen Kerze… sah sie sich bestürmt von gleich zwei Personen - Vater und Kind? -, die so taten, als wären sie aufs Engste mit ihr verflochten.
Aber während diese beiden ungestüm auf sie zueilten, wurde ihr erstmals bewusst, dass sie die Frage, die für sie vor allen anderen stand, noch gar nicht gestellt hatte.
Nicht, wo sie war oder wer diese beiden waren, musste ihre vorrangige Sorge sein, sondern…
… wer ich bin!
Ihr schwanden die Sinne.
Aber bevor sie gänzlich ohnmächtig wurde, tauchten plötzlich Namen in ihrem Kopf auf, die sie instinktiv den beiden Fremden zuordnete: Robert. Elisabeth… nein, Beth!
Kannte sie sie am Ende doch? Und was war das für ein letzter Name, der sich wie mit scharfen Krallenhänden etwas verspätet hinter ihre Stirn und in ihr Iiiin zwängte? Ein Name wie ein verzerrter Spiegel, in dem sie sich selbst und doch nicht wiedererkannte: Meredith…
***
Meredith erwachte.
Sie fühlte sich krank, sterbenskrank. Schlimmer noch, manches an ihrem Körper kam ihr vor wie… tot. Oder wie von jemandem geliehen , der es über kurz oder lang zurückfordern würde. Und dann?
Im Moor war es so furchtbar still und nass und kalt gewesen. Und später, in der Sphäre, noch um vieles stiller, dunkler, entsetzlicher…
Eine Tür ging auf, ein Windhauch streichelte über ihr Gesicht. Sie schlug die Augen auf und ließ den Raum an sich heran, in dem sie, gut zugedeckt, auf einer bequemen Matratze und in einem weichen Kissen lag.
Alles war fremd, alles war vertraut.
Das fremde Mädchen, in dem sie ihr eigenes Kind - nur älter, größer… verrückt! - erkannte, zögernd erkannte, trat zu ihr ans Bett und sagte in fast befehlendem Ton: »Tu das nie wieder! Hörst du? Geh nie wieder ohne mich so lange weg!«
Sie verstand sofort - und doch wiederum nicht. Alles war anders als erwartet, alles war seltsam.. Freude und Furcht, Erleichterung, Unsicherheit und Schrecken stritten in ihr.
Sie richtete sich halb im Bett auf. Sah an sich herab, dorthin, wo die Zudecke wegrutschte und sie ein Nachthemd trug, das sie zu kennen meinte, das sie sich aber auch am liebsten sofort vom Leib gerissen hätte, weil es ihr nicht gebührte. Weil es…
Hör auf! Sofort aufhören! Du verlierst den Verstand, wenn du so weitermachst! Du bist wieder daheim, nach so langer Zeit! Das da ist dein Kind - das Liebste, was du hast auf der Welt!
Ihr Herz bestätigte das. Ihr Herz fühlte sich an, als würde es brennen und wäre gleichzeitig mit Stacheldraht umwickelt.
Sie streckte die Arme aus, und als hätte Elisabeth, die kleine Halbwaise - viel zu lange war sie das gewesen! -, nur auf dieses Signal gewartet, warf sie sich hinein.
Weinend - vor Glück, wie Meredith hoffte.
Dämme waren gebrochen, auch in ihr selbst. Sie drückte ihre Tochter (meine Tochter!) ganz fest an sich, und für eine Weile war das Kind ihr eigener Anker, an dem sie sich Halt in dem reißenden Strom widersprüchlicher Erinnerungen schuf, der über sie hinweg und durch sie hindurch flutete.
»Oh, Beth…«
»Mutter! Liebe, liebe Mutter!«
Sie weinten und lachten abwechselnd, drückten, kosten sich und tollten miteinander herum, dass das Bett ächzte.
Sie hörten erst auf, als die Tür abermals aufging und er hereintrat.
Meredith erstarrte regelrecht. Ihr Blick suchte die Augen des Mannes, mit dem sie verheiratet war und dieses wunderbare Kind gezeugt hatte, an dessen Liebe und Wärme sie sich gerade ergötzte.
(Kalt, so kalt und nass und dunkel war es in meinem Grab.)
Wortlos kam Robert näher. Er hielt einen Strauß wahrscheinlich selbst gepflückter Wiesenblumen in der Hand. Eine Distel war darunter, was ihm nicht aufzufallen schien. Meredith hingegen bemerkte es sofort und fand es anrührend. Unkraut war ihr immer noch die liebste Blume.
Unkraut erinnerte sie an Maden und anderes Getier. Es fraß sich ins Fleisch der Erde und entzog ihr die Kraft. Es unterdrückte echtes, wertvolleres Leben. Und Maden… Maden nisteten sich dort ein, wo einst Leben war, dessen fernes Echo mit jedem Stück, das sie aus dem Leichnam
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