09 - Befehl von oben
diskutieren, der diese Region viel besser kannte als er. Es wurde Zeit, das Buch in bezug auf diese Frage für den Augenblick zu schließen und ein anderes aufzuschlagen. »Der Irak. Was sagen Ihre Leute dazu?«
Golowko verzog das Gesicht. »Wir haben dort vor drei Monaten ein ganzes Netzwerk verloren. Zwanzig Leute, alle erschossen oder erhängt - nach Verhören. Von dem, was uns noch geblieben ist, erfahren wir nicht viel, aber es hat den Anschein, als ob die hohen Generäle etwas vorbereiten.«
»Zwei von ihnen haben sich heute morgen in den Sudan abgesetzt«, teilte Ryan Golowko mit. Es war nicht oft, daß er ihn mit etwas überraschen konnte.
»So schnell?«
Ryan nickte und zeigte ihm die Fotos vom Flughafen Khartum. »Ja.«
Golowko sah sie sich genau an, erkannte aber die Gesichter nicht, aber das war wirklich nicht nötig. Informationen, die auf solcher Ebene ausgetauscht wurden, waren niemals gefälscht. Selbst gegenüber Feinden und ehemaligen Feinden hatte eine Nation bei gewissen Dingen Wort zu halten. Er gab die Fotos zurück. »Iran also. Wir haben ein paar Leute dort, aber in den letzten Tagen haben wir nichts gehört. In dieser Umgebung zu operieren ist sehr gefährlich, wie Sie wissen. Wir nehmen an, daß Daryaei mit dem Attentat etwas zu tun hat, aber wir können es nicht beweisen.« Er hielt inne. »Die Auswirkungen davon sind sehr ernst.«
»Sie sagen also, daß Sie diesbezüglich auch nichts unternehmen können?«
»Nein, Iwan Emmetowitsch, nichts. Wir haben dort keinen Einfluß und Sie auch nicht.«
18 / Letzter Flug
Der nächste Shuttle-Flug startete zeitig. Der dritte und letzte Busineß-Jet dieser Scheinfirma war aus Europa zurückbeordert worden, und durch einen Wechsel der Crew stand er drei Stunden eher bereit. Das bedeutete, daß die erste der G-IV nach Bagdad fliegen konnte, zwei weitere Generäle holen und wieder zurückkehren. Neben seiner ungewöhnlichen Rolle als Diplomat kam Badrayn sich jetzt auch noch fast wie eine Art Reiseunternehmer oder Dispatcher vor. Er hoffte nur, daß nicht alles zu lang dauerte. Es könnte gefährlich werden, ein Passagier auf dem letzten Flug zu sein. Darüber machten sich die Generäle jetzt keine Gedanken. Das letzte Flugzeug könnte durchaus mit Leuchtspurfeuer gejagt werden. Na ja, zuckte er die Achseln, das Leben hatte eben seine Risiken. Zumindest hatten sie ihm gesagt, daß es einen weiteren Flug in weniger als drei Stunden geben würde und einen vierten fünf Stunden nach diesem. Doch insgesamt würden es zehn oder elf sein, und das würde drei weitere Tage in Anspruch nehmen nach gegenwärtigem Zeitplan, und drei Tage konnten ein ganzes Leben sein.
Außerhalb der Grenzen dieses Flughafens war das irakische Militär immer noch auf der Straße, doch das würde sich bald ändern. Die Wehrpflichtigen und gar Elite-Gardisten waren nun schon ein paar Tage da draußen, verfallen in stumpfsinnige und nutzlose Routine, und das war für Soldaten etwas Destruktives. Bald würden sie anfangen, gelangweilt herumzuschlurfen, Zigaretten zu rauchen und einander Fragen zu stellen: Was genau ist denn überhaupt los? Unmittelbar würde es keine Antworten geben. Die Unteroffiziere würden ihnen bedeuten, sich um ihre Pflichten zu kümmern, so angewiesen von ihren Kompanie-Offizieren, so angewiesen wiederum von Bataillonsleuten und so von der ganzen Linie aufwärts... bis irgendwo dieselbe Frage ebenfalls wiederholt würde, wo es aber dann kein weiteres Oben in der Befehlskette geben würde, das dem Frager sagte, er solle sich hinsetzen und den Mund halten. Von diesem Punkt an würde die Frage die ganze Linie wieder hinunterlaufen. Das war etwas, was eine Armee spürte, so wie ein Dorn im Fuß dem Gehirn mitteilt, daß etwas nicht stimmt. Und wenn der Dorn schmutzig ist, dann folgt eine Infektion, die sich ausbreiten und den ganzen Körper umbringen kann. Die Generäle sollten solche Dinge eigentlich wissen - doch nein, sie wußten es nicht mehr. Sie vergaßen einfach, daß die Villen und das Dienstpersonal und die Autos kein göttliches Geschenk waren, sondern eine temporäre Bequemlichkeit, die so rasch verschwinden konnte wie morgendlicher Nebel. Für Badrayn hätte das eigentlich kaum ärgerlich sein können, außer daß jetzt sein Leben von ihrem abhing.
Der Sitz auf der rechten Seite der Kabine war immer noch feucht. Diesmal wurde er eingenommen von der jüngsten Tochter des Generals, der bis vor wenigen Minuten die 4. motorisierte Gardedivision befehligt
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