Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
09 - Denn sie betrügt man nicht

09 - Denn sie betrügt man nicht

Titel: 09 - Denn sie betrügt man nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
Vom Netzwerk:
etwas bequemer.
    »Na ja, wir sind ja unter uns Pfarrerstöchtern«, murmelte Barbara seufzend. Sie ging zum Schrank und blieb davor stehen. Als sie sich das Kleid über den Kopf zog, kam ihr bandagierter Brustkorb zum Vorschein.
    »Hast du einen Unfall gehabt?« fragte Hadiyyah.
    »So was Ähnliches, ja.«
    »Hast du dir was gebrochen? Hast du darum so viele Pflaster?«
    »Meine Nase und drei Rippen.«
    »Das muß doch schrecklich weh getan haben. Tut es immer noch weh? Soll ich dir beim Anziehen helfen?«
    »Danke, ich schaff das schon.« Barbara schleuderte ihre Schuhe in den Schrank und zog die Strumpfhose von den Beinen. Zusammengeknüllt unter einem schwarzen Plastikregenmantel lag eine purpurrote Pumphose mit einem Bund zum Schnüren. Genau das richtige, sagte sie sich. Sie stieg hinein und zog ein zerknittertes pinkfarbenes T-Shirt dazu an. In dieser Aufmachung wandte sie sich wieder dem kleinen Mädchen zu, das neugierig in einem Taschenbuch blätterte, das es auf dem Tisch neben dem Bett entdeckt hatte. Am vergangenen Abend war Barbara bei ihrer Lektüre bis zu der Stelle gekommen, wo der begierige Wilde, der dem Buch den Titel gab, vom Anblick des strammen, runden und günstigerweise entblößten Gesäßes der Heldin, die vorsichtig ihr Bad im Fluß nehmen wollte, an den Rand des Wahnsinns getrieben worden war. Barbara meinte, Khalidah Hadiyyah müsse nicht unbedingt erfahren, was danach geschehen war. Sie nahm ihr das Buch aus der Hand.
    »Was ist ein steifes Geschlecht?« erkundigte sich Hadiyyah mit gerunzelten Brauen.
    »Frag deinen Dad«, antwortete Barbara. »Oder nein, besser nicht.« Sie konnte sich nicht vorstellen, daß Hadiyyahs ernster Vater eine solche Frage mit dem gleichen Aplomb aus dem Weg räumen konnte wie sie. »Das ist eine vornehme und große alte Familie«, erklärte Barbara.
    Hadiyyah nickte nachdenklich. »Aber da stand, sie berührte sein -«
    »Wie sieht's jetzt mit dem Eis aus?« unterbrach Barbara munter. »Kann ich die Einladung sofort annehmen? Ich hätte Lust auf Erdbeer. Und du?«
    »Ach, deswegen bin ich ja hergekommen?« Hadiyyah glitt vom Bett und verschränkte die Arme feierlich hinter dem Rücken. »Ich muß die Einladung nämlich zurücknehmen, weißt du«, erklärte sie. »Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben«, fügte sie altklug hinzu.
    »Oh.« Barbara war erstaunt darüber, daß ihr Stimmungsbarometer bei dieser Eröffnung merklich sank. Sie verstand ihre Enttäuschung nicht. Mit einem kleinen Mädchen ein Eis essen zu gehen war doch nun wirklich kein gesellschaftliches Großereignis, auf das man sich wochenlang freuen konnte.
    »Dad und ich müssen nämlich verreisen. Nur für ein paar Tage. Wir müssen jetzt gleich losfahren. Aber ich hatte dich ja angerufen und dich eingeladen, und da wollte ich dir auf jeden Fall Bescheid sagen, daß wir das verschieben müssen. Ich meine, für den Fall, daß du zurückrufen wolltest. Darum bin ich hergekommen.«
    »Ach so. Natürlich.« Barbara nahm die brennende Zigarette, die immer noch im Aschenbecher lag, und setzte sich auf einen der beiden Stühle am Tisch. Sie hatte noch nicht einmal die Post von gestern aufgemacht, sondern sie nur auf die Daily Mail vom Morgen gelegt, und sah jetzt, daß oben auf dem dünnen Stapel ein Umschlag mit dem Aufdruck Auf der Suche nach Liebe? lag. Suchen wir die nicht alle, dachte sie mit grimmigem Spott und schob sich die Zigarette zwischen die Lippen.
    »Du bist mir doch nicht böse?« erkundigte sich Hadiyyah besorgt. »Dad hat gesagt, es wär' gut, wenn ich dir selbst Bescheid sage. Ich wollte doch nicht, daß du glaubst, erst lade ich dich ein und dann bin ich gar nicht da, wenn du kommst. Das wär' doch gemein, nicht?«
    Eine kleine, steile Falte erschien zwischen Hadiyyahs dichten dunklen Augenbrauen. Barbara beobachtete, wie die Last der Sorge sich auf den schmalen Kinderschultern niederließ, und dachte darüber nach, wie das Leben doch jeden einzelnen Menschen formt. Ein achtjähriges kleines Mädchen, das das Haar noch in Zöpfen trug, sollte es nicht nötig haben, sich so um andere zu sorgen.
    »Keine Spur bin ich dir böse«, sagte Barbara. »Aber ich werde dich an die Einladung erinnern. Wenn's um Erdbeereis geht, lass' ich mich nicht abwimmeln.«
    Hadiyyahs Gesicht hellte sich wieder auf. Sie hüpfte. »Wir gehen, sobald Dad und ich wieder da sind, Barbara. Wir fahren ja nur ein paar Tage weg. Nur ein paar Tage. Dad und ich. Zusammen. Hab' ich das schon

Weitere Kostenlose Bücher