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09 - Die Weltuntergangs-Maschine

09 - Die Weltuntergangs-Maschine

Titel: 09 - Die Weltuntergangs-Maschine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timothy Stahl
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dies das Recht eines anderen Menschen auf Privatsphäre verletzt hätte. Außerdem hatte ihre Mutter alles getan, um ihr den Vater zu ersetzen, und das rechnete Sophie ihr hoch an.
    Dumpfe Kälte schlug ihnen auch aus dem Teil der Nekropole entgegen, der für touristische Besichtigungen hergerichtet war. Betonierte Wege und Stege führten zwischen den unterirdischen Grabstätten hindurch oder darüber hinweg. Die Anlage war stimmungsvoll illuminiert, nicht zu hell, in einigen Ecken blieb es düster. Das hatte man nicht getan, um einen Geisterbahn-Effekt zu schaffen, sondern um die Ruhe und Würde der Toten so unangetastet zu lassen, wie es bei einem Kompromiss eben möglich war.
    Aber dieser Teil der Totenstadt war ohnehin nicht ihr Ziel, und Dallocchio durchmaß ihn mit langen Schritten, sodass Sophie abermals fast rennen musste, um den Anschluss nicht zu verlieren.
    Als sie den fürs Publikum geschlossenen Bereich betraten, mussten sie sich mit Handscheinwerfern behelfen.
    Sophie war mittlerweile oft hier gewesen. Von ihrer Faszination hatte die Totenstadt trotzdem nichts eingebüßt.
    Die Bezeichnung war auf unheimliche Weise zutreffend. Man hatte in der Tat das Gefühl, durch eine Stadt zu gehen, die eben nur nicht von Lebenden bewohnt wurde. Dennoch war zu spüren, dass hier etwas lebte . Als hätte die Seele eines jeden Toten, die hier in gemauerten Kammern lagen oder in Gruben und Nischen, die man in Fels und Erdreich gehauen hatte, einen Hauch hinterlassen, der sich bis heute hielt.
    Zugleich war es beklemmend, zwischen den Grüften, Gräbern und Totenhäusern hindurchzulaufen. Weil die Wege oft schmal waren, und weil der »Himmel« tief hing – ein Himmel aus Erde und Stein, teilweise so niedrig, dass man ihn mit ausgestreckter Hand berühren konnte. Diese künstliche Decke wurde an vielen Stellen durch Betonmauern und Holzkonstruktionen gestützt, die man im Zuge der Ausgrabungen errichtet hatte. Gewiss basierten sie auf statischen Berechnungen, die so exakt wie nur möglich waren. Aber sie stammten eben doch nur von Menschenhand – und die Tonnen, die darauf lasteten, waren reine Naturgewalt.
    Die Geräuschkulisse tat ein Übriges, die Furcht, es könnte alles einstürzen, nicht ruhen zu lassen. Hier ein Knistern, da ein Knarren, das Echo eines Schrittes, das dumpf und verzögert zurückkehrte, ein Atemzug, der weder Sophies eigener noch Dallocchios zu sein schien.
    Wahrscheinlich zupfte ihr gestriges Erlebnis noch an ihrem Nervenkostüm. Sie hatte im ersten Moment völlig ernsthaft geglaubt, es seien drei Tote, die da aus der Grabkammer getreten waren. Gut; dass es sich nicht um die Geister von Verstorbenen handelte, stand nun fest. Aber das erklärte noch lange nicht, wie sie aufgetaucht waren.
    Denn Sophie wusste, was sie gesehen hatte. Sie war keiner Täuschung aufgesessen. Und so hielten sich in ihr abermals Spannung und Angst die Waage.
    »Das muss es sein«, hörte sie in diesem Moment Dallocchio sagen – und noch im selben Augenblick lief sie gegen ihn, weil er unvermittelt stehen geblieben war.
    Der Lichtkegel seiner Lampe ruhte auf der Grabkammer, aus der gestern vor Sophies Augen Thomas Ericson und zwei weitere Menschen getreten waren. Durch eine zwar uralte, aber solide Mauer hindurch.
    Zumindest diese Mauer hatte auch Dallocchio am Vortag mit eigenen Augen gesehen. Jetzt allerdings sah er, genau wie Sophie, die an ihm vorbeischaute und ebenfalls hinleuchtete, dass sich etwas verändert hatte.
    Die Mauer existierte nicht mehr. Sie war eingestürzt – oder explodiert? Denn die Trümmer lagen nicht einfach dort am Boden, wo die Mauer gestern noch gewesen war, es hatte sie regelrecht versprengt in einigem Umkreis.
    Und dahinter, in der Kammer, die diese Mauer zweitausend Jahre lang oder länger verschlossen hatte, war etwas zu sehen …
    »Was ist das?«, fragte Dallocchio, eher sich selbst als Sophie, und machte ein paar Schritte auf die offene Kammer zu.
    Sie wollte ihm folgen, erstarrte aber, fast wie gestern, als sie glaubte, regelrecht einzufrieren. Nur war dieses Gefühl jetzt viel stärker.
    Und es wurde tatsächlich eiskalt um sie her. Im Licht ihrer Lampe sah Sophie, wie die Feuchtigkeit auf den Mauern um sie her schlagartig gefror und glitzerte.
    »Dottore!«, entfuhr es ihr. »Sehen Sie sich das an …«
    Sie wandte den Kopf in Richtung der offenen Grabkammer, erwartete, Dallocchio davor zu sehen.
    Aber der Archäologe war verschwunden.
    ***
    Was war das?
    Bruno Dallocchio setzte

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