Befreiung vom Überfluss: Auf dem Weg in die Postwachstumsökonomie (German Edition)
Einleitung Wohlstandsdämmerung –
Aussicht auf mehr Glück?
Dieses Buch dient einem bescheidenen Zweck. Es soll den Abschied von einem Wohlstandsmodell erleichtern, das aufgrund seiner chronischen Wachstumsabhängigkeit unrettbar geworden ist. Darauf deuten verschiedene Entwicklungen hin, die lange verdrängt wurden. Aktuelle Verschuldungs- und Finanzkrisen, für die keine Lösungen in Sicht sind, stellen uns vor die Frage: Wie viel unseres Reichtums hätte je entstehen können, wenn sich moderne Staaten nicht permanent und mit steigender Tendenz verschuldet hätten? Noch prägnantere Grenzen setzt die Verknappung jener Ressourcen, aus deren schonungsloser Ausbeutung sich das Wirtschaftswachstum bislang speisen konnte, nämlich fossile Rohstoffe, Seltene Erden, Metalle und Flächen.
Mit dem immensen Konsum- und Mobilitätsniveau wuchs im Zuge der Globalisierung zugleich die Abhängigkeit von überregionalen Versorgungsketten und Marktdynamiken. Ohne deren komplexe, faktisch unbeherrschbare Verflechtung wäre die Wohlstandsexpansion nie zu haben gewesen, denn nur so lassen sich die Potenziale der industriellen Arbeitsteilung ausschöpfen. Andererseits liegt darin der Keim für viele Sollbruchstellen. Der zu schwindelerregender Höhe aufgetürmte Wohlstand ist ein Kartenhaus. Es beschwört eine fatale Unvereinbarkeit herauf: Zunehmende Fallhöhe trifft auf zunehmende Instabilität. Je höher das Stockwerk, desto tiefer der Fall, wenn alles zusammenstürzt. Und das Fundament bröckelt bereits.
Aber ist das überhaupt eine schlechte Nachricht? Schließlich bräuchte die geschundene Ökosphäre ohnehin dringend eine Verschnaufpause. Die bekommt sie nicht, solange die Wirtschaft weiter wächst. Wird innerhalb eines wachsenden ökonomischen Systems versucht, einen bestimmten ökologischen Schaden zu beheben, entstehen anderswo neue Probleme. Das grandiose Scheitern bisheriger Anstrengungen, ökologische Probleme anstatt durch einen Rückbau des ruinösen Industriemodells mit Hilfe technischer Innovationen zu lösen, ähnelt einer Hydra, der für einen abgeschlagenen Kopf zwei neue nachwachsen. Denn wenn die Schadensbehebung das Wachstum nicht gefährden soll, muss es sich um addierte Maßnahmen oder Objekte handeln, welche die in Geld gehandelte Wertschöpfung, das sogenannte »Bruttoinlandsprodukt« (BIP), hinreichend steigern.
Die seit Jahrzehnten ermüdend diskutierte Feststellung, dass das Bruttoinlandsprodukt kein geeigneter Maßstab für das Wohlergehen moderner Gesellschaften sein kann, ist schlicht eine Verharmlosung. Vielmehr müsste das Bruttoinlandsprodukt als Maß für ökologische Zerstörung betrachtet werden. Enthalten sind darin all jene Leistungen, die als Resultat geldbasierter Arbeitsteilung zustande kommen. Das sind grundsätzlich Dinge, die produziert werden, um sie dann als geldwerte Leistung an jemand anderen zu übertragen. Genau dieser Leistungstransfer kann nicht ökologisch neutral sein. Einen CO 2 -neutralen Euro, Dollar oder Yen kann es schon deshalb nicht geben, weil er den Anspruch auf materielle Werte verkörpert.
Worin könnte ein Zuwachs an Nutzen oder Glück letztlich bestehen, der stofflich und energetisch neutral ist, aber dennoch produziert, transportiert und erworben werden muss – und zwar in steigendem Maße, sonst entfiele ja das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts? Wie kann der Ursprung für die von einem Individuum empfundene Nutzensteigerung einerseits außerhalb seiner selbst liegen, aber andererseits jeglicher Materiebewegungen und Energieflüsse enthoben sein? Wenn ein Zuwachs an Glücksempfinden tatsächlich rein qualitativer Art wäre, könnte seine Quelle nur im Subjekt selbst liegen. Nicht arbeitsteilige Produktion nebst dazu notwendiger Raumüberwindung wäre der Ursprung, sondern die eigene Leistung und Imagination, mit der dem materiell Vorhandenen autonom zusätzliche Befriedigung abgerungen oder neuer Sinn eingehaucht wird. Aber dieser Vorgang kann weder als monetär zu beziffernde Wertsteigerung ausgedrückt werden, noch ist er kompatibel mit dem, was wir unter Wirtschaft verstehen. Vor allem: Seine Resultate können kaum über eine bestimmte Menge hinauswachsen. Wachsen im ökonomischen Sinn kann also nur das, was mittels Geld und Energie von außen zugeführt werden muss und deshalb nie ohne Zerstörung zu haben ist.
Anstatt die Beziehung zwischen Wachstum und Nachhaltigkeit mit Anspruch auf Vollständigkeit aufzuarbeiten, sind es im Wesentlichen drei
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