0916 - Feuerengel
muß neben dem Bett stehen. Alles andere ist verrückt. Sie kann nicht irgendwo in der Luft schweben oder wie auch immer.
Sie wartet auf mich.
Ein Geräusch schreckte ihn auf, das er zunächst nicht einordnen konnte, bis ihm einfiel, daß die Person hinter ihm mit den Fingern geschnippt hatte. Ein akustischer Befehl.
»Na…?«
Er nickte. Ich muß es tun, dachte er. Dieses Weib hält die besseren Karten in den Händen. Sie weiß alles. Sie ist informiert. Sie ist, verflucht noch mal diejenige, die alle Fäden in der Hand hält. Sie kann dich tanzen lassen, tanzen…
Er stöhnte auf, bevor er sich umdrehte.
Und er tat es langsam, als schien er diesen Vorgang zu genießen. Das jedoch war bei ihm nicht der Fall. Genießen konnte er nichts, gar nichts. Er würde froh sein, wenn er hier mit heiler Haut herauskam, und er würde dem Heiligen St. Patrick ein Dankopfer, bringen. Das mußte einfach sein.
Sie war da - aber wo?
Davenport zwinkerte, weil er zunächst nicht zurechtkam. Er hatte sie gehört, sie mußte jetzt vor ihm stehen, aber waren die Schatten nicht dichter geworden?
Schon, und besonders dicht neben dem Bett.
Dort stand sie auch.
Irgendwie fühlte sich Lino erleichtert, daß er diese Frau sah. Er lächelte sogar, und die Umgebung kam ihm nicht mehr so unheimlich vor wie noch vor zwei, drei Minuten.
»Willst du mich nicht sehen?« flüsterte sie ihm aus dem Halbdunkel zu.
»Doch - doch«, stammelte er.
»Dann komm bitte her.«
Davenport nickte, obwohl er nicht mehr so überzeugt war. Aber er konnte auch nicht weg. Die Tür war verschlossen. Was blieb ihm denn anderes übrig? Also ging er los. Nein, es war kein richtiges Gehen, mehr ein Schleichen, und er ließ seinen Blick keine Sekunde vom Umriß der Frau, die sich ihm immer deutlicher zeigte, je näher er an sie heranglitt.
Leila Connaro stand nicht einfach neben dem Bett, sie hatte eine besondere Haltung eingenommen, als stünde sie im Begriff, sich jeden Moment auf die breite Liege fallen zu lassen, wobei sie den Mann ebenfalls nicht aus den Augen ließ.
War sie nackt? Trug sie etwas am Körper? Oder war er nur von diesen außergewöhnlichen Schatten umspielt, die wie das Dunkle im Flackerlicht eines Feuers wirkten und mehr verbargen, als sie freigaben. Trotzdem war dieser Körper so ungewöhnlich, so daß Lino Davenport für einen langen Moment den Atem anhielt.
Er konzentrierte sich auf das Gesicht. Es zeigte eine gewisse Exotik, das sah er deutlich. Die Haut war relativ hell, zudem stand Leila günstig zum Wandlicht, und das Gesicht zeigte fremdländische Züge. Der Mann tippte auf Mittel- oder Südamerika. Es war etwas breitflächig, die Wangen abgeflacht. Schmale Augen mit großen, dunklen Pupillen. Ein breiter Mund und ein schlanker Hals - und ein Körper, wie er perfekter nicht sein konnte. Der Körper einer Göttin, einer Statue. Diese Frau schien ein Wesen vom anderen Stern zu sein. Sie atmete auch kaum, sie stand einfach nur da und schaute Lino an.
Das Haar umwallte den Kopf in zahlreichen Locken. Das Feuer in den Augen lockte, und der Körper versprach alle Wonnen, die sich ein Mann nur vorstellen konnte. Ihr Körper wurde umgeben von einem Hauch aus Stoff. Es war ein Hemd, das wie zerrissen wirkte und an der Vorderseite des Körpers entlangflatterte. Trotzdem war es befestigt, denn Leila trug so etwas wie ein winziges Stück Stoff, ein Tangahöschen. Ihr perfekt modelliertes Hinterteil kam, dabei voll zur Geltung.
Der Mund war ihm trocken geworden, und er schwitzte trotzdem. Plötzlich konnte er sich nicht mehr vorstellen, eine Stunde oder auch länger mit einer derartigen Frau zu verbringen.
Das war mehr, als er es sich je hatte träumen lassen, das war schon sensationell, und er fragte sich, womit er das verdient hatte.
Sie war einfach super, so etwas war ihm noch nicht begegnet. Er hörte sich heftiger atmen, aber er war auch ins Schwitzen geraten, und das Licht erinnerte ihn plötzlich an die schummrige Beleuchtung einer Bar.
Sie lächelte ihn an.
Lino Davenport lächelte zurück, kantig, und er verriet seine Unsicherheit.
»Du bist Lino?«
Davenport blieb stehen, als er angesprochen wurde. Er hörte die Stimme, er lauschte ihr nach. Er fand sie einfach sagenhaft, sie war wunderbar, sie hatte ihn erwischt, und sie brachte ihn dazu, näher darüber nachzudenken.
»Ja, wir - ähm - wir haben miteinander telefoniert.«
»Ich weiß.«
»Bin ich okay?« flüsterte er. »Ich meine, bist du mit mir zufrieden,
Weitere Kostenlose Bücher