0916 - Feuerengel
Leben ausgelöscht hätten.
Es war meine Mutter gewesen, die auf ihn geschossen hatte. Aber sie hatte es nicht freiwillig getan, auch nicht aus irgendwelchen niederen Motiven, es war ihr einfach nichts anderes übriggeblieben, denn sie hatte unter dem Einfluß einer bösen Macht gestanden.
Mit sehr vorsichtigen und behutsamen Worten hatte ich es ihr klargemacht, denn ich war nicht nach London zurückgefahren, sondern erst einmal in Lauder geblieben, um meine Mutter nicht allein zu Haus zu lassen. Ich hatte des öfteren mit London telefoniert, denn dieser Fluch der Sinclairs hatte sich nicht nur auf Lauder oder auf das Haus meiner Eltern beschrankt, sondern eine Brücke bis in die Nähe von Alet-les-Bains geschlagen.
Es war vorbei.
Es gab in dem Sinne keinen Gilles de St. Clair mehr, aber es gab noch meine Mutter, und es gab einen toten Sergeant namens McDuff, der hatte helfen Wollen und zwischen die Mühlsteine der Magie geraten war und sein Leben verloren hatte.
Ich ließ den Wagen auf den Parkplatz zurollen, der zum Krankenhaus gehörte, in dem mein Vater lag. Der Komplex stand nicht in Lauder, sondern auf Glasgower Gebiet, ein modernes Haus am Stadtrand gelegen, ein Krankenhaus, das für seine gute Behandlung bekannt war.
Meine, Mutter hatte ihren Mann nicht allein lassen wollen. Es war mir gelungen, auch ihr ein Zimmer im Krankenhaus zu besorgen, so konnte sie ihren Mann besuchen, wann immer sie wollte. Deshalb lag auch auf dem Rücksitz ihr Koffer.
Ich hatte lange mit ihr gesprochen und versucht, sie von den Sorgen und Vorwürfen abzulenken, die sie plagten. Immer wieder hatte ich ihr erklären müssen, daß sie persönlich nichts Böses getan hatte, ebensowenig wie ihr Mann, der sie ja ebenfalls hatte töten wollen.
Ich stoppte vor einer Wand aus Büschen, die die Parkplatzgrenze bildete. »Wir sind da.«
»Danke, John.«
»Wofür?«
Meine Mutter hob die Schultern. »Du hast dir sehr viel Mühe gegeben, Junge. Ich bin froh, nicht allein gewesen zu sein in den letzten drei Tagen. Hoffentlich verübelt es mir niemand, daß ich nicht auf der Beerdigung des Sergeants war, aber ich konnte einfach nicht.«
»Das versteht jeder, Mutter. Du darfst dir da um Himmels willen keine Vorwürfe machen und dir das Leben erschweren. Es geht jetzt um dich und Vater. Ihr müßt wieder auf den Damm kommen, richtig, meine ich. Dad ist ein zäher Knochen, den wirft selbst diese Verletzung nicht um.«
»Aber sie hat sich entzündet.«
»Gut, Mutter, das stimmt. Deshalb liegt er auch hier im Krankenhaus. Es war eine tiefe Fleischwunde, aber die wirft Vater nicht um. Er wird halt ein paar Tage im Krankenhaus bleiben. Du bist ja in seiner Nähe.«
»Zum Glück.«
»Das ist heute schon in vielen Kliniken möglich. Besonders in Kinderkrankenhäusern, damit die Eltern bei den Kleinen sein können. Die Kinder haben weniger Heimweh und weniger Angst, und sie werden schneller gesund.«
Meine Mutter lächelte. Dann lehnte sie sich gegen mich. »Du glaubst gar nicht, wie froh ich bin, dich an meiner Seite zu haben. Du bist mir eine große Stütze gewesen. Ich weiß nicht, wie ich ohne deine Hilfe die Zeit überstanden hätte.«
»Ich bin auch noch länger da.«
»Das ist toll.«
»Komm, jetzt laß uns aussteigen und zu Dad gehen. Er wartet schon.«
»Ja, ist gut.« Sie wischte über ihre Augen, löste den Gurt und verließ den Wagen.
Auch ich stieg aus, holte den Koffer vom Rücksitz und nahm sehr bewußt das Zwitschern der Vögel wahr. Zudem das frische Grün der Bäume, den Sonnenschein, der die übliche schottische Düsternis Lügen strafte und sich strahlend über das Land gelegt hatte. Es war eben ein wunderschöner Frühlingstag.
Ich schloß den Wagen ab und nahm den Koffer in die Hand. Neben meiner Mutter ging ich her. Der morgendliche Park war ziemlich leer. Eingehüllt in Bademäntel und Wolldecken genossen ein paar Patienten den Sonnenschein.
Der Fußweg zum Eingang der Klinik war breit wie eine Auffahrt.
Im Eingangsbereich war es beinahe leer. Hinter ihren Computern und auch jenseits einer Glasscheibe saßen zwei Mitarbeiter, die für Fragen zur Verfügung standen. Ein noch jüngerer Mann mit langen Haaren, die er zu einem Zopf zusammengebunden trug, erkundigte sich nach unseren Wünschen.
Ich sagte unsere Namen. Er wußte schon Bescheid. »Einen Moment bitte noch.«
Aus einem hinteren Raum erschien auf sein Rufen hin eine Frau, die ein rapsgelbes Kostüm trug. Ihr Lächeln war breit und offen. Sie
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