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0920 - Welt der Stille

0920 - Welt der Stille

Titel: 0920 - Welt der Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Borner
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»Nicht einmal, als ich zwischen den Schenkeln Lady Patricias… Was ich sagen will: In dem Augenblick, da ich den Stein berührte, verstand ich Dandrono. So unsinnig sich das auch anhört. Er war in meinem Kopf, ich war hinter seinen Augen. Kein Körper mehr, nur Geist. Es… Es war das grauenhafteste Ereignis meines Lebens. Eines, das ich nie wiederholen möchte, meinem schlimmsten Feind nicht wünsche. Und glauben Sie mir, ein paar Wochen in diesem Nichts hier versorgen Sie mit einigen grauenhaften Erfahrungen.«
    Der Professor schloss die Augen und… ja, es sah aus, als würde er lauschen. Etwa auf den Stein? »Das glaube ich Ihnen gern«, sagte er dann und strahlte den Engländer spitzbübisch an. »Aber wissen Sie, was? Ich bekomme Lust, es Ihnen nachzumachen.«
    ***
    Die mentale Reise war anders als alle, die Zamorra je erlebt hatte. Meist hatten derartige Erfahrungen zumindest eine Richtung, einen roten Faden, an dem sich der Reisende festhalten und orientieren konnte, doch in diesem Fall herrschte das reinste Chaos.
    Der Professor hatte sich Zeit gelassen. Minutenlang hatte er schweigend dagesessen und all seine Kraft, all seine Energie gesammelt - für diese waghalsige Aktion. Mit höchster Konzentration und unter Aufbietung aller magischen Talente, die er ohne seine Hilfsmittel überhaupt aufbringen konnte, hatte er sich dann vorgebeugt und, beobachtet von den sorgenvollen Blicken des Engländers und der jungen Frau, die Hände rechts und links auf den glühenden Stein gelegt.
    »Es ist eiskalt, aber abgesehen davon spüre ich gar nichts«, hatte er noch gesagt, verwundert ob der ausbleibenden Reaktion. Und dann war die Hölle ausgebrochen!
    Mit einem Mal hatte er sich gefühlt, als stünde sein ganzer Körper in Flammen. Stechende, unmenschliche Schmerzen hatten ihn umschlungen, waren durch seine Arme, seine Beine, seinen Leib geschossen wie Blitze. Und sein Geist… Die Flut der Bilder und Eindrücke, die seitdem auf Zamorra einprasselten, raubte ihm den Atem. Er sah Welten und Dimensionen, Epochen und Orte unterschiedlichster Art, in rapider Folge und mit aller Wucht. Manche kannte er, aus seinen Geschichtsstudien oder gar von seinen eigenen Reisen, andere hatte er nie zuvor gesehen und wusste dennoch, dass es sie gab. Irgendwo, irgendwann. Die Bilder waren ungeordnet, völlig wahllos und unterschiedlich. Doch sie waren präsent, real, wie Tore wirkten sie auf ihn. Und in ihnen, hinter ihnen, war Dandrono. Sein Kern. Sein Wesen. Dies war, das hatte Geoff zweifelsfrei erkannt, seine Quelle. Der Ursprung und seine Batterie.
    »Sie ist kaputt«, sagte der Professor, nachdem er keuchend und orientierungslos wieder aus seiner Trance zurückgekehrt war und neben Geoff und Josi am Boden des Kraters saß. Wie er sich erhofft hatte, hatte seine magische Expertise ausgereicht, ihn das Erlebnis ohne körperliche oder geistige Schäden überstehen zu lassen. »Die Batterie. Sie…«
    Geoffrey blickte ihn an wie ein Auto. Zamorra lächelte. »Dieses Ding«, begann er erneut und kam allmählich wieder zu Kräften, »ist so etwas wie das Herz unseres Gegners. Seine Energiequelle, und vielleicht sogar der Ort, von dem er stammt. Zumindest auf dieser Erde. Und es ist… hoffnungslos durcheinander. Das ganze Chaos, das mit Dandronos Griff in die Geschichte einhergegangen ist, geht auf diesen Irrsinn da drin zurück: Er ist geschwächt und nicht mehr in der Lage, sein volles Potenzial zu nutzen. Das hat mir der… Stein ganz deutlich gezeigt. Wäre diese Batterie dort nicht auf Notstrom, säßen wir jetzt nicht hier. Dann hätte Dandrono die Zeit längst komplett verändert, ohne Wenn und Aber. Dann wäre die Zukunft längst so, wie sie nach und nach wird.«
    »Aber warum ist er schwach?«, fragte Josephine. »Ist er vielleicht zu alt?«
    »Älter als wir drei zusammen, das mit Sicherheit.« Zamorra blickte sie freundlich an. »Aber daran liegt es nicht. Glaube ich. Ich vermute, er ist verwundet, hat einmal mehr bekommen, als er erwartet hat. Und dieser Rückschlag warf ihn aus der Spur. Wenn ich nicht irre, war ich daran nicht ganz unbeteiligt.«
    »Und was jetzt?« Geoff krempelte sich begeistert die Ärmel hoch. »Schlagen wir das Ding zu Klump und die ganze Sache ist vorbei?«
    » Dandrono wäre dann vorbei, Mister Beaumont. Da gebe ich Ihnen recht. Aber sein bereits verursachter Schaden bliebe bestehen, wäre dadurch nicht rückgängig gemacht.« Zamorra lächelte und deutete einmal mehr auf den glühenden Stein.

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