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0920 - Welt der Stille

0920 - Welt der Stille

Titel: 0920 - Welt der Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Borner
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»Dieses… Ding hat noch immer immense Energie in sich. Wenn auch von der Sorte, die sich kaum nutzen lässt, da sie nun zu roh, zu grenzenlos ist. Sollte es mir aber gelingen, mich irgendwie dieser Energie zu bemächtigen, könnte ich es Dandrono vielleicht gleich tun und ihm durch Zeit und Raum folgen, eines der Bilder betreten. Für eine Person, so schätze ich, sollte die Energie noch ausreichen.«
    Beaumont stand der Mund vor Staunen offen. »Sie wollen durch die Zeit springen? Aber wohin?«
    »Nach Mainz, Sir«, antwortete Zamorra. »Zum Ursprung. Ich will endlich das erledigen, weswegen ich meine Heimat überhaupt verlassen habe. Ich will zu Gutenberg - und zwar bevor dieser auf unseren finsteren Freund trifft. Nägel mit Köpfen machen.«
    ***
    NEIN!
    Es gelang - aber bei weitem nicht so, wie Zamorra sich das vorgestellt hatte. Sobald er den Stein erneut berührte, waren die Bilder wieder da. In schneller Folge huschten sie an seinem geistigen Auge vorbei, boten ihm Wege in unzählige Zeiten und Gegenden, wenn er sich nur traute, sie zu betreten. Und doch…
    Da war ein Sog. Ein seltsames, unwiderstehliches Rufen, das den Meister des Übersinnlichen zwang, eine Richtung einzuschlagen, die er nicht wollte. Fast wie ferngesteuert sah er, dass sich eines der Bilder immer weiter näherte und die anderen nach und nach überlagerte. Das Chaos war zu groß, die ungebündelte Energie des Steins zu gewaltig, als dass er sie lange hätte steuern oder ihr befehlen können. Und so blieb dem Professor nichts anderes, als sich dem blinden Schicksal zu ergeben.
    ***
    Die Welt bestand aus Farben. Wild und strukturlos tanzten sie umher, bildeten Formen und lösten sie wieder, überall und ohne Unterlass. Und Zamorra war mitten drin. Da war kein Fixpunkt mehr, keine Orientierung. Nichts, was nach festen Objekten ausgesehen hätte. Wie eine Bakterie in einem Meer aus Wasserfarben trieb er hilflos dahin, bis schließlich Objekte entstanden. Farbkleckse zogen sich zurück, wurden zu Blöcken, zu geometrischen Figuren, und aus dem Chaos entstand ein Raum.
    Einer, den der Meister des Übersinnlichen kannte. Wenngleich er ihn anders in Erinnerung hatte.
    Die unterirdische Domkammer sah älter aus, so als seien seit seinem letzten Besuch Jahrzehnte vergangen, falls nicht sogar noch mehr Zeit. Die Aufzeichnungen an den Wänden waren umfangreicher geworden, die Stapel aus Schriften und Büchern gewachsen. Und die Personen, die sich im Inneren der schimmernden Energiekuppel befanden, waren andere - abgesehen von dem rätselhaften Alten, der scheinbar unverändert auf seiner Pritsche lag, als haben das Alter und der Lauf der Zeit keinerlei Macht über ihn.
    Zamorra schwebte über den Dingen, betrachtete die Szenerie aus der Vogelperspektive, und als er an sich hinab sah, bemerkte er, dass er… durchsichtig war! Er war nicht fest, nicht real, kaum mehr als ein glitzerndes Schemen. Ich bin nicht ganz materialisiert , dachte er erschrocken. Die Macht des Steins… Reicht sie etwa doch nicht länger aus für eine komplette Reise, für Geist und Körper?
    »Professor!!«
    Der Ruf ließ Zamorra aufblicken - in das grenzenlos überraschte Gesicht eines Mannes aus seiner ganz persönlichen Vergangenheit, den wieder zu treffen er sich im Traum nicht ausgemalt hätte.
    »Eusebius?«
    Der Koblenzer Geologe nickte so fest, dass ihm der Schlapphut über die Stirn rutschte. Struttenkötter sah aus, wie immer - ein wenig underdressed für jede Gelegenheit, ein wenig planlos -, aber er grinste übers ganze Gesicht. »Ich hatte mir schon fast gedacht, dass Sie früher oder später hier auftauchen, Professor«, sagte er mit einem leichten Zittern in der Stimme. »Wenn einer dieses ganze Chaos entwirren kann, dann Sie.«
    Mittlerweile waren auch die anderen anwesenden Personen - allesamt Mönche - auf die Anwesenheit Zamorras aufmerksam geworden. Mit vor Überraschung offen stehenden Mündern versammelten sie sich hinter Struttenkötter und starrten ungläubig auf die glitzernde Erscheinung über ihren Köpfen. Für einen kurzen, absurden Moment fühlte sich Zamorra wie ein Engel.
    »Eusebius«, setzte er an, »wann bin ich? Und was machen Sie hier?« Seit den Ereignissen von Maria Laach hatte er den leicht stoffeligen Hochschuldozenten nicht wieder gesehen.
    Struttenkötter berichtete so umfassend und eifrig, als habe er tagelang nur darauf gewartet, diese Informationen weitergeben zu können. Was er beschrieb, war ein Weltuntergangszenario, wie es sich

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