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0920 - Welt der Stille

0920 - Welt der Stille

Titel: 0920 - Welt der Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Borner
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Eure Vergebung bitten. Wir… nun, wir sind noch nicht soweit, wie wir sein müssten.«
    »Und wie soll das sein?«, gab Nicole schroff zurück und verzog schmerzverzerrt das Gesicht, als die Stricke ob dieser Behandlung noch tiefer in ihre Handgelenke schnitten. »Welchen Zweck verfolgt Ihr damit, wehrlose Bürger aufzugreifen? Meines Wissens gehört das nicht gerade zur Kernkompetenz der Kirche.«
    Martinus lachte humorlos auf. »Mit Kompetenzfragen hat all dies wenig zu tun, das gebe ich offen zu. Wenn ich es mir aussuchen könnte, hätte ich diese Berufung niemals angenommen. Aber Ihr wisst vermutlich, dass Gott nicht fragt, wenn er Aufträge verteilt. Er benennt einfach jene, die ihm zu Diensten sein sollen - ungeachtet dessen, ob sie sich dieser Ehre als würdig und fähig erachten.«
    Das klang deutlich verblendeter, als Nicole dem Mann zugetraut hätte. »Wollt Ihr etwa sagen, Gott habe Euch dazu angestachelt, mich und meinen Begleiter anzugreifen?«
    »Mitnichten, meine Dame. Das war nur ein unerwarteter und, wenn ich ehrlich sein soll, unglücklich misslungener Nebenaspekt unserer eigentlichen Aufgabe.«
    »Aha«, sagte Nici wenig überzeugt und rieb sich die mittlerweile wieder freien Handgelenke, um die Durchblutung zu fördern. »Und welche soll das sein?«
    Martinus schmunzelte diesmal aufrichtig. »Das ist der Grund, aus dem Ihr Euch jetzt hier befindet, anstatt draußen in den Gassen der Stadt. Eure Aufgabe deckt sich mit der unseren, soweit ich informiert bin. Wir sind hier, um die Menschheit vor dem Untergang zu bewahren.«
    Und nun war es an Nicole, sprachlos zu sein.
    ***
    »Ihr fragt Euch sicherlich, wer wir sind«, fuhr Bruder Martinus fort und strich sich gedankenverloren ein paar Staubflusen von seiner dunklen Kutte. »Um das gebührend erklären zu können, muss ich ein wenig ausholen - und glaubt mir, das entspricht nicht meiner Art. Aber seit ein paar Wochen… Nun, sagen wir es so: Der Mensch denkt, doch Gott allein lenkt.«
    Verständnislos sah Nicole ihn an. Was redete der Mann denn da? Nichts von dem, was er sagte oder tat, ergab einen Sinn. Was meinte er damit, dass er die Menschheit retten wolle? Wusste er etwa von dem, was Gutenberg zu unternehmen im Begriff stand? Wenn ja, warum waren sie dann noch hier und nicht längst auf dessen Hof?
    »Wir«, Martinus breitete die Arme aus und deutete auf seine Mitbrüder, »sind etwas, das man wohl am ehesten als Untergruppe des hiesigen Klerus bezeichnen könnte. Wir folgen einer Prophezeiung, die seit weit über tausend Jahren von Generation zu Generation weitergegeben wird. Sie beschreibt eine Bedrohung für die Welt, wie wir sie kennen, und seit einigen Wochen weiß ich auch, was ich dagegen unternehmen kann. Ich muss eine Arche bauen, wie es Noah einst tat. Und der Herr selbst lieferte mir das Werkzeug dazu.«
    Staunend lauschte die Dämonenjägerin aus der Zukunft, was der so unscheinbar wirkende Mönch ihr berichtete: Vor einigen Wochen, so erzählte er, sei des Nachts ein alter Mann in seiner Kammer erschienen - buchstäblich aus dem Nichts. Mit einem Mal sei er da gewesen, habe vor seinem Bett gestanden und sich, nachdem er einige Sekunden orientierungslos durch den Raum geblickt hatte, lautstark geräuspert. »Ihr müsst verstehen, dass ich einen leichten Schlaf habe und sofort wach war«, führte Martinus aus. »Und für einen Augenblick war ich überzeugt, den Leibhaftigen persönlich vor mir zu haben, wenngleich sein Aussehen alles andere als dämonisch war. Der Mann sah schwach aus, als habe ihn die Reise zu mir die letzten Kraftreserven gekostet. Und doch sprach er zu mir in jener Nacht. Er verkündete mir, dass das Unheil, vor dem uns unsere Prophezeiung warnt, bald bevorsteht und ich eine unterirdische Kammer bauen solle.«
    Die anderen fünf Mönche hatten sich mittlerweile genähert. Sie waren hinter Martinus getreten und hingen nahezu an dessen Lippen, als könnten sie diese wirre Geschichte, der sie doch bis ins letzte Detail zu glauben schienen, gar nicht oft genug hören. »Die Kammer, in der wir uns gerade befinden«, ergänzte Bruder Clemens leise, als Martinus nicht direkt weitersprach. »Sie ist die Arche, die zu bauen uns der Herr aufgetragen hat.«
    Die sind doch alle bekloppt hier. »Eine Arche für was?«, hakte Nicole vorsichtig nach.
    »Um die Menschheit vor dem Ende der Zeit zu bewahren, wie es uns die Schrift lehrt«, antwortete Clemens und die anderen Männer nickten ernst. »Wer sich in dieser Kammer

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