0923 - Die Henkerin
mit dem er nicht zurechtkam. Es roch so ähnlich, als hätte jemand ein Feuer entfacht. Aber es roch nicht nach Kohle oder Holz, sondern anders, ganz anders.
Er beeilte sich. Sicherheitshalber zog er sein schmales Schwert, drückte sich mit dem Rücken an einer schon warmen Felsnase vorbei und bekam dann freie Sicht.
Godwin de Salier blieb stehen wie von einem Rammbock getroffen. Er hatte mit einigen Überraschungen schon gerechnet, aber nicht mit dem, was er tatsächlich sah.
Vor ihm lag Carlotta.
Der Zufall hatte sie so aufschlagen lassen, daß sie in einer Mulde ihren Platz gefunden hatte.
Sie lag da, als wäre sie regelrecht zusammengeschlagen worden, wie von einem schweren Gegenstand zerdrückt. Das war an sich natürlich bei einem Aufprall aus einer derartigen Höhe.
Etwas anderes störte den Beobachter viel mehr.
Es war der dünne Rauch, der vom Körper aus in die Höhe stieg und vom Wind weggetrieben wurde.
Vom Körper?
Ja, es war ein Körper, noch war es das. Die Kleidung war bereits verkohlt, und in der Nacht waren die federleichten schwarzen Reste in alle Winde zerstreut worden. Jetzt lagen nur mehr Klumpen dort, und darunter die Tote.
Auch sie war von innen her verkohlt. Das Feuer hatte ihre Muskeln, ihr Herz, die Nieren, den Magen und alles andere in Mitleidenschaft gezogen und sie zu schwarzen Klumpen gemacht. Die Haut lag dort wie dünnes Papier, aber angebräunt und ebenfalls leicht verkohlt. Das Gesicht war kaum zu erkennen, denn das Feuer hatte es ebenfalls von innen zerfressen.
Er wandte sich ab.
Er ging einige Schritte von der Fundstelle weg, um sich auf einen vorspringenden Felsblock zu hocken. Dort blieb er sitzen und schüttelte den Kopf.
Der Bretone kam nicht damit zurecht, was hier passiert war. Es wollte ihm einfach nicht in den Kopf. Es war wider die Natur, und er wußte nicht was er denken sollte.
Aber Godwin de Salier erinnerte sich wieder an den Fluch, den die in die Tiefe fallende Frau ausgestoßen hatte. Sie hatte vom Teufel gesprochen und von der Hölle. So ging er davon aus, daß sie mit beiden im Bunde stand.
Wenn er darüber nachdachte, fing er an zu frieren, und es schüttelte ihn durch.
Auch die Angst kehrte zurück. Nur war es keine unmittelbare Angst, die ihn selbst betraf, sondern mehr vor der Zukunft und damit vor dem Fluch.
Für ihn gab es nur eine Möglichkeit. Er mußte auf der Stelle dieses Land verlassen, zurück in seine Heimat reiten und versuchen, das Grauen zu vergessen.
Der Bretone stand auf. Er ging zu seinem Pferd, das treu auf ihn gewartet hatte.
Dann stieg er in den Sattel und ritt an. Das Land der Iberer wollte er so schnell wie möglich vergessen…
***
Jahrhunderte später.
London, die quirlige Millionenstadt, stöhnte unter der Hitze. Nicht nur die Menschen schienen zu schwitzen, auch die Gebäude sonderten ihren Schweiß ab, zumindest kam es mir so vor, und es war der Beginn der Ferien, und ich hoffte, daß auch mal die Dämonen oder Verbrecher eine Sommerpause einlegten.
Von meinen Trip ins Jenseits hatte ich mich körperlich wieder erholt, seelisch weniger, denn immer wieder mußte ich darüber nachdenken, was passiert wäre, wenn es Nathan gelungen wäre, einen Tunnel von der Hölle ins Paradies herzustellen.
Es war ihm nicht gelungen. Das hatten Suko, Jane Collins, Sir James und auch Professor Benson zu verhindern gewußt, und nach dieser großen Tat war für uns erst einmal Pause.
Darauf hatte Sir James bestanden und seine beiden Mitarbeiter in Urlaub geschickt.
Urlaub!
Ja, ich hatte Urlaub!
Für alle, die es nicht glauben können oder denken, sich verlesen zu haben, noch einmal: Ich hatte Urlaub!
Plötzlich, von einem Augenblick auf den anderen, was mich natürlich überrascht hatte. Man macht immer Pläne, wenn man keinen Urlaub hat. Dann denkt man darüber nach, wohin man fahren kann, wenn es soweit ist. Auch ich bildete da keine Ausnahme, nur als es mich so plötzlich erwischte, da hatte ich alles vergessen.
Nicht so mein Freund Suko.
Der hatte zwar nicht äußerlich, aber innerlich gejubelt und war am nächsten Tag schon in den frühen Morgenstunden nach Ibiza gestartet. Last minute. Er und Shao hatten sich gefreut, und ich wußte nicht mal, in welchem Hotel die beiden abgestiegen waren. Für eine Woche wollten sie ihre Ruhe haben.
Zu den Profiurlaubern gehörte ich nicht. Es fehlte mir nicht an Phantasie, mir vorzustellen, wohin ich reisen könnte, nur schaffte ich es nicht, das in die Tat umzusetzen. Sollte ich in
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