0923 - Die Henkerin
wobei sie etwas zu unvorsichtig war und sich dabei die Haut einritzte. Aus der Wunde quoll ein Blutstropfen.
Carlotta schaute ihn sich an. Wieder lächelte sie. Dann hob sie den Arm und leckte das Blut ab.
Es tat ihr gut, sehr gut.
Sie schmeckte das Blut und freute sich, daß es einfach so voller Kraft steckte. Carlotta glaubte, ihr eigenes Leben in diesem Tropfen zu schmecken. Mal bitter, mal süß.
Die Tür verschloß ihr Mann nie. Wozu auch? Es traute sich niemand außer ihr, das Zimmer in der Nacht zu betreten, und sie selbst hatte es noch nicht mal oft getan.
In ihre Lippen hinein grub sich ein Lächeln. Es war genau das Gegenteil von freundlich, denn Carlotta wußte sehr genau, was sie in den nächsten Minuten hinter sich bringen würde.
Sie warf einen Blick auf die Klinke. Die war vergoldet und paßte nicht zu dem schlichten Innern des Schlosses, wo die Decken hoch, die Gänge düster und die Böden dunkel waren.
Carlotta hatte sich alles vorgestellt. Genau ausgemalt. Immer wieder in langen Nächten, in denen sie schlaflos im Bett gelegen hatte. Aus diesem Grunde fiel es ihr jetzt leicht, den Vorsatz in die Tat umzusetzen.
Sie drückte die Klinke nach unten.
Sehr leicht ließ sich die schwere Tür öffnen. Sie schwang nicht in den Gang hinein, sondern in das Zimmer, das sehr groß war und eigentlich nur von einem prächtigen Bett beherrscht wurde, über dem ein Himmel aus kostbarem Stoff schwebte.
Es war dunkel.
Keine Kerze verbreitete Licht. Auf dem Boden lagen wertvolle Teppiche übereinander. Die Wände schmückten Seidentapeten. Durch die offenen Fenster fuhr der Nachtwind und brachte das Geräusch der Brandung mit.
Carlotta ging auf das Bett zu.
Der Mond stand beinahe voll am wolkenlosen Himmel. Auch er sorgte für ein gewisses Licht, das wie ein silbriger Schleier in den Raum fiel und sich dort verteilte.
Auf dem Bett lag er wie eine zweite Decke, aber den größten Teil des Bodens ließ er in der Dunkelheit.
Je näher sie an ihr Ziel herankam, um so besser konnte Carlotta die Gegebenheiten erkennen. Den Tisch mit der Schüssel, in der immer frisches Wasser aufgefüllt wurde. Sie sah die Handtücher und den Durchgang zum Ankleideraum ihres Mannes.
Es war alles vorhanden, was er brauchte - bis eben auf die Frau, denn er lag allein im Bett.
Quer beinahe, und er lag auf dem Rücken, das Gesicht leicht zur Seite gedreht und dem Fenster zugewandt.
Eine günstige Position, wie Carlotta dachte.
Neben dem Bett blieb sie stehen und schaute auf das bärtige Gesicht des Schlafenden hinab.
Es sah nicht mehr so finster aus wie sonst, denn Don Alfonso zeigte sich entspannter. Der Mund stand offen. Röchelnde Schnarchlaute drangen aus ihm hervor.
Carlotta schenkte diesem Gesicht ein Lächeln, als wollte sie davon Abschied nehmen.
Es war die Stunde des Todes für ihren Gatten. Der aber schlief. Eigentlich typisch. Er hatte schon immer die großen, privaten Dinge verschlafen und hatte nie gespürt, daß seine Frau litt und welche Sorgen sie plagten.
ES würde für ihn ein Ende haben.
Jetzt und für immer.
Nichts regte sich im Gesicht der Frau, als sie ihre Waffe mit einer nahezu lockeren Bewegung anhob. Gewissensbisse kannte sie nicht, und sie fragte sich, ob sie überhaupt ein Gewissen hatte.
Wahrscheinlich nicht.
Darüber konnte sie wieder lächeln. Ein Schlag würde reichen.
Sie überlegte, wie sie es machen sollte. Sollte sie ihn köpfen oder ihrem verhaßten Gatten den Schädel spalten? Beidhändig umfaßte sie den Griff und holte aus.
Dann war es soweit!
Ihre Augen leuchteten. Den Triumph konnte sie einfach nicht unterdrücken. Zu lange hatte sie auf diesen Augenblick gewartet, und über ihre Lippen drang der Satz:
»Stirb, du Hundesohn!«
In diesem Augenblick geschah etwas, womit sie nicht gerechnet hatte. Zuerst drang ein kühler Windstoß durch das offene Fenster an der Seite, und zugleich öffnete ihr Mann die Augen…
***
Er starrte sie an.
Carlotta irritierten diese Blicke und sie schlug nicht zu. Mit der erhobenen Mordwaffe blieb sie stehen.
»Was ist?« flüsterte Don Alfonso. Er war aus dem Schlaf gerissen worden und noch etwas durcheinander.
»Ich bin es!«
Alfonso blieb liegen, wirkte schwerfällig und konnte die Lage noch nicht so richtig einschätzen, doch dann hörte er das Lachen seiner Gemahlin.
Wieder schaute er hin - und er sah jetzt auch die Machete, denn in seinen Blick stahl sich der Schrecken. Er wollte etwas sagen, nicht mal schreien, aber Carlotta
Weitere Kostenlose Bücher