0931 - Bauchtanz mit dem Tod
Ziel. Das Hindernis war zum Glück so schwer, daß es nicht umkippte.
Wilma bewegte sich vor ihr wie ein Schatten. Sie ging leicht geduckt und sank noch mehr zusammen, als sie die zweite Tür erreicht hatte und einen Blick durch das Schlüsselloch warf.
Gespannt wartete Janina hinter ihr. Sie wunderte sich, wie leicht alles ging, und sie dachte daran, welche Ängste sie zuvor durchgestanden hatten. »Siehst du was?« hauchte sie.
»Er ist da.«
»Und?«
»Wahrscheinlich hockt er auf seinem Diwan.«
»Ja, wie immer.«
Wilma richtete sich wieder auf. »Wir werden jetzt seinen Salon betreten, und dann sehen wir weiter.«
»Ich warte.«
»Keine Angst, Janina. Es geht um unser Schicksal - um unser Leben! Daran solltest du immer denken.«
»Natürlich.« Janina wünschte sich, daß schon alles vorbei war. Und sie fürchtete sich auch vor dem Moment, wenn sie das Messer in der Hand hielt und zustieß.
Ihre Freundin blieb vorn öffnete gerade so weit, um das Zimmer überblicken zu können.
Den breiten Diwan sah sie.
Und sie sah auch den Mann!
Daß er allein war, stellte sie sehr bald fest. Sie glaubte, den Stein schon poltern zu hören, der ihr vom Herzen rollte. Abdul war allein, sie aber waren zu zweit. Wilma gab ihrer Freundin durch eine Handbewegung bekannt, daß es soweit war.
Zugleich betraten sie den prächtig ausstaffierten Salon. Im ersten Augenblick wurden sie von dem Mann auf dem Diwan nicht bemerkt.
Erst als die Tür geschlossen wurde und dies nicht lautlos geschah, schaute er in die Höhe.
Er sah sie.
Beide lächelten…
***
Abdul Akam wußte nicht, wie er sich verhalten sollte. Er hatte auf seinem Diwan gesessen und war seinen Gedanken nachgegangen, die sich mit schlimmen Dingen beschäftigten. Durch das Auftauchen der Frauen war er aus dem Konzept gerissen worden.
Er hatte sich auf die rechte Seite gedreht, um die beiden anschauen zu können, und er brachte es nicht fertig, auch nur einen Laut auszustoßen.
Das sahen auch Wilma und Janina. Zudem schauten sie einen Menschen an, der vom Alter her jenseits der Fünfzig lag, aber irgendwie Ähnlichkeit mit einem dürren, großen, geierähnlichen Vogel hatte. Er war die Häßlichkeit in Person.
Der schmale Kopf mit der dünnen Haut saß auf einem ebenso dünnen Hals. Eine breite Nase, ein breiter Mund, eine wiederum breite Stirn und Haare, die wie graue Spinnweben auf dem Schädel wuchsen, dabei ziemlich dünn waren, so daß an einigen Stellen die Kopfhaut durchschimmerte. Ob Akam vollständig bekleidet war, wußten die Frauen nicht. Zumindest war sein dürrer Oberkörper nackt. Eine Decke endete in Höhe seiner Hüfte. Auf dem breiten Diwan wirkte er irgendwie verloren inmitten seiner Kissen, die ihn wie eine Dekoration umgaben.
Die Inhalte waren mit kostbaren Stoffen umspannt, und auch ein rundes, goldenes Tablett hatte auf dem Diwan seinen Platz gefunden. Eine Schale mit Obst, eine Teekanne und die dazugehörige Tasse standen darauf.
Der Diwan berührte die Wand. Zwei Lampen warfen ihren Schein auf das Bett und die Gestalt des dürren Mannes.
Abdul Akam konnte es nicht fassen, daß er um diese Zeit noch Besuch kriegte, und zwar von den beiden Frauen, denen er einen freiwilligen Besuch nicht zugetraut hätte, deshalb war er auch nicht in der Lage, etwas zu sagen und schaute nur zu, wie sich Janina und Wilma von der Tür lösten, von zwei Seiten auf seinen Diwan zuschritten und dabei lächelten.
Akam wollte etwas sagen. Er hatte schon Luft geholt, aber er brachte kein Wort hervor. Nur ein dünnes Krächzen, das Ähnlichkeit mit den Lauten eines sterbenden Vogels aufwies.
Neben dem Diwan blieben die Frauen stehen.
Wilma links, Janina rechts. Beide Frauen hielten sich genau an ihre Pläne, denn sie lächelten ihn an, wobei sie eine gewisse Unsicherheit bei Akam hinterließen, denn er wußte nicht, wie er dieses Lächeln deuten sollte.
Sicherlich nicht freundlich, denn dazu hatten sie beileibe keinen Grund.
Wilma übernahm es, ihn anzusprechen. »Freust du dich nicht, daß wir gekommen sind, Abdul?«
Akam wußte nicht, wie er sich verhalten sollte. Verlegen pflückte er zwei Trauben ab und steckte sie hastig zwischen seine Lippen. Er kaute heftig.
»Bist du stumm?« fragte Janina, die ihre Scheu überwunden hatte und sich besser fühlte.
Zumindest konnte Akam lachen.
Freundlich klang es nicht gerade. Eher verlegen.
»Sag doch was!«
Der Orientale schaute Wilma an. Er schluckte die Trauben hinunter und sein Adamsapfel tanzte dabei
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