0934 - Der Schlüssel zur Quelle
damals. »Dass du immer ein Auge auf mich und meine jüngeren Ichs wirfst.« Nun, Gryf hatte alle Absicht, genau dies zu tun.
Daher konzentrierte er sich und wurde wieder eins mit dem Wesen des Sträflings.
***
Der Vampir ist auf dem Sprung. Er eilt von einem Ort zum nächsten, aufgeschreckt wie ein flüchtendes Huhn. Doch er hat keine Angst. Weshalb auch? Er weiß, dass er am längeren Hebel sitzt. Er allein besitzt den Schlüssel - und damit endlich alles, was er braucht. Ihn und die Clan-Magie des Erbfolgers. Der Schlüssel stöhnt in seinen kalten Armen, während der Vampir ihn mit sich fortträgt. Der Schlüssel heißt Dylan, und dieser Weg wird gleichzeitig sein bedeutendster und sein letzter sein. Für einen Moment findet der Vampir es nahezu schade, dass Dylan ihn gar nicht mitbekommt. Doch dann lacht der Vampir, und die weißen Fangzähne in seinem fahlen Gesicht blitzen im Licht der Sterne, die den finsteren Himmel bedecken.
Wo bist du?, denkt Zamorra . Little, zeigen Sie mir mehr! Ich muss wissen, wo er sich aufhält.
Omar strengt sich an. Er versteht nicht, was geschieht, hat längst aufgegeben, es verstehen zu wollen. Ständig schubst man ihn herum, befiehlt ihm dies, befiehlt ihm das. Er ist müde geworden und will nicht mehr. Aber die Bitte stammt von Zamorra. Von dem Jäger. Dem Mann aus seinen Träumen. Und Omar will ihm helfen. Er hofft, dass SIE es von ihm erwarten würde.
Also konzentriert er sich weiter auf die Bilder, die vor seinem geistigen Auge ablaufen wie ein Film. Auf den Vampir und den Schlüsselmenschen. Und er weitet sie aus, zeichnet mit geistigen Pinseln Detail an Detail. Die Leinwand verbreitert sich mit jedem neuen Pinselstrich, und die Bilder werden genauer. Omar hat keine Ahnung, wie er das macht oder woher er diese Informationen nimmt. Sie sind einfach da, und er… reagiert. Nicht mehr als das. Er ist kein Player, nicht in diesen Augenblicken. Sondern Sprachrohr von etwas größerem. Etwas, das außerhalb jedes Spiels liegt, das er kennt.
Von IHR? Bei dem Gott Reverend McGinleys, er hofft es.
Vor ihm entsteht eine nächtliche Landschaft. Dunkle Hügel, grasbewachsen. Eine Schlossruine vor dem Sternenhimmel. Ein kleiner Friedhof, uralt anmutend, voller windschiefer Steine und mit einem dunklen Monolithen. Zwei Menschen sitzen auf diesem Friedhof. Eng umschlungen. Sich küssend. Ihre Hände streichen über Hautpartien, schleichen sich unter Kleidungsstücke, öffnen Verschlüsse. Ihr Atem geht stoßweise, der Atem der Leidenschaft, und ihre Herzen schlagen nahezu im Gleichklang.
Anka und der Erbfolger. Es gibt sie wirklich.
Zamorra!, denkt Gryf in Omars Geist . Das ist Llewellyn-Castle! Er ist auf dem Weg zu Llewellyn-Castle.
Natürlich, erkennt Zamorra . Dort hat es für ihn angefangen. Dort soll es auch enden.
Es ist ein schönes Bild, das Omar da sieht. Doch wird es bald zur Katastrophe.
Dessen ist er sich sicher. Denn der Vampir nähert sich den beiden Liebenden, und sie haben keine Ahnung davon. Sie fühlen sich sicher. Haben nur Augen füreinander.
Nein, denkt Omar . Das ist nicht, was SIE will. Bestimmt nicht. Tun Sie was, Zamorra. Irgendwas.
Das werde ich, denkt der Meister des Übersinnlichen und löst sich aus Omar Littles Geist. Für immer.
***
Gryf und Zamorra zögerten keine Sekunde. Sofort lösten sie sich aus der magischen Mentalverbindung, die sie mit Häftling C-1701 eingegangen waren, griffen sich bei der Hand - und dann machte Gryf einen Schritt zur Seite und ließ sie verschwinden.
Zum Teufel mit Rooney und seinen Überwachungskameras.
Der Professor und der Druide materialisierten am Friedhof der Llewellyns, keine zwei Meter neben Rhett und Kathryne. Und keine fünf Schritte von Matlock McCain entfernt, der sich mit rasender Geschwindigkeit näherte, lautlos wie die Nacht!
»Rhett, pass auf!«, schrie Zamorra.
Der Erbfolger blinzelte verwirrt und erschrocken, blickte hoch. Er kauerte über der am Boden liegenden Kathryne, das Haar zerzaust, der Kopf hochrot, die Hose aufgeknöpft - und es war ihm deutlich anzusehen, dass er nicht gerade die Mission im Sinn gehabt hatte. Doch Rhett reagierte schnell, und er reagierte richtig. »Ach, du dickes Ei!«, rief er, wirbelte herum und stellte sich dem Heranstürmenden in den Weg. Kathryne tat es ihm gleich.
Dann begann der Gesang.
Vor Zamorras Augen öffnete sich ein Tor in der Wirklichkeit, ein waberndes Portal aus Licht, das in die Sphäre der Hüterin führte. Es öffnete sich… für den
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