Träume in Kristall
Band 383 der Bibliothek Suhrkamp
Yasunari Kawabata
Träume im Kristall
Erzählungen
Aus dem Japanischen
und mit einem Nachwort
von Siegfried Schaarschmidt
Suhrkamp Verlag
Titel der japanischen Originaltexte: Suishō-gensō. Yume no ane. Kata-ude. Hokuro no tegami. Kinjū
Erste Auflage dieser Ausgabe 1974
Lizenzausgabe mit freundlicher Genehmigung des
Carl Hanser Verlages, München
© Carl Hanser Verlag, München 1973
Alle Rechte vorbehalten
Druck: Poeschel & Schulz-Schomburgk, Eschwege
Printed in Germany
Erzählungen
Träume im Kristall
Sowie sich die Dame dem Spiegel zuwandte, sprang Playboy auf den Maniküretisch. Dort auf dem Kissen sitzend, den Kopf leicht schräg geneigt, sah er gaffend zu, wie die Dame sich schminkte. Dabei hatte er etwas von einem vorlauten kleinen Mädchen, das unbedingt auch geschminkt werden will. Offensichtlich spürte Playboy, daß es, wie er auf dem Maniküretisch frisiert wurde, gleichfalls ein Schminken war; mehr noch, er schien aus der Art dieses Make-up sogar begreifen zu können: der Tag war da, an dem er gepaart werden sollte. Denn am Morgen vor der Paarung machte ihn die Dame besonders sorgfältig zurecht. In dem dreiteiligen Spiegel der Dame, als handelte es sich um drei einzelne Spiegel, lebte immer ein Dreierlei.
Linker Hand der Flügel des Spiegels reflektierte ein Glasdach im Gewächshausstil. Es war da freilich kein Warmhaus für blühende Pflanzen, vielmehr ein Zwinger für kleinere Tiere.
»Schau doch«, hatte die Dame auf einmal ausgerufen, als der europäische Toilettentisch vom Kaufaus angeliefert worden war, »wenn ich diesen Spiegel hier aufstelle, wäre das für mich keineswegs ein bloßer Luxus. Immer würden sich ja die Spermatozoen und Eizellen aus unserem Garten darin spiegeln.« Kurz, was die Dame, darauf bedacht, ihrem Mann zu schmeicheln, zuerst in dem Spiegel entdeckt hatte, war jenes Glasdach im Gewächshausstil gewesen. Mochten solche Worte als Zärtlichkeiten auch etwas seltsam anmuten – da jedes wirkliche Ehepaar in Redewendungen, die dem Außenstehenden rätselhaft erscheinen müssen, miteinander flirtet und die darin enthaltene Tragik vergißt – übrigens dürfen ja wohl alle Scherzund Witzworte nichts anderes sein als das Aufscheinen menschlicher Tragik –, hatte die Dame das doch tatsächlich einigermaßen Merkwürdige in ihren Worten überhaupt nicht bemerkt; freilich, daß sie es nicht bemerkte, lag zugleich daran, wie nun plötzlich (Oh, der blaue Himmel!) im Spiegel sie der klare Himmel überraschte und ihr Herz gefangennahm. (Wie silberne Kiesel das Himmelsblau durchstürzende Vögel. Wie verirrte silberne Pfeile das Meer durcheilende Segelboote. Wie Silbernadeln die Seen durchschwimmende Fische.) Und wenn die Dame, als sie solch Unsichtbares vor sich aufzucken sah, auf ihrer Haut die Kühle von der Haut silbriger Fische spürte, war das dem Erschrecken zuzuschreiben, mit dem sie wie zum erstenmal den blauen Himmel erblickte, einem Erschrecken, das dem Gefühl einsamster Verlorenheit glich; und wirklich, nimmt man den blauen Himmel, das Meer, die Seen für die augenfälligsten unter den Dingen, die uns heute noch die Empfindungen der ältesten Menschheit ins Gedächtnis zurückzurufen vermögen, so war das Einsamkeitsgefühl der Dame die ursprünglichste Trauer – mit anderen Worten: das wie zu einem Gewächshaus gehörige Glasdach im Spiegel hatte mit einem Male ihr Herz in eine weite Leere verwandelt. Wahrhafig, obwohl sie den Rahmen der linken unter den drei Spiegelflächen fest angefaßt hatte, war ihr davon nicht das mindeste bewußt.
»Nein, mir scheint dieser Platz nicht günstig. Ich meine, wenn du hier den Spiegel aufstellen willst. Ein luxuriöser Gegenstand soll schließlich in jeder Hinsicht auch das Gefühl von Luxus vermitteln. Gerade um die Wissenschaft aus unserem ehelichen Schlafzimmer zu verbannen, habe ich dir ja ein so unwissenschaflich wirkendes Ziermöbel gekauf. Es ist doch nicht nötig, daß sich der Laborzwinger des Wissenschaflers zusammen mit dem Profil seiner Frau spiegelt, wenn sie beim Schminken ist.«
»Nun, ich kann mir nicht helfen: selbst wenn du mir unterm Mikroskop die Zellen zeigst, wie sie sich miteinander verschmelzen, kommt mir das wie ein schönes Farbmuster vor. Und dann die Art, in der sich das befruchtete Ei verwandelt, – darin liegt doch ein göttlicher Entwurf. Allein schon, daß du mir gezeigt hast, aus was für schönen Zellen ein Spulwurm besteht, einer von
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