0934 - Der Schlüssel zur Quelle
»Machst du Witze? Wir haben mehr, als du dir wünschen kannst. Was meinst du wohl, warum ich die ganze Zeit mitgefilmt habe? Mädchen, wir machen eine Show über den Lockdown. Über die Gefangenenrevolte von Huntsville. Und es wird eine, wie sie Amerika noch nicht gesehen hat!«
Jenny Moffat riss ungläubig die Augen auf - und beschloss, sich ab sofort über gar nichts mehr zu wundern.
Epilog - Trink, Pilger
Der Tümpel war alles andere als das, was Dylan McMour sich darunter vorgestellt hatte. Schmutziges, brackig wirkendes Wasser stand in einem Teich, der von bräunlich-welk aussehenden Wiesen gesäumt wurde. Es stank zum Himmel. Dylan hätte sich nicht gewundert, ein paar tote Fische in der ekligen Brühe herumtreiben zu sehen, doch alles, was ihm vor die Augen kam, war…
»Oh Kacke…«
Trotz der nahezu Ehrfurcht gebietenden Situation sah er plötzlich Rhett vor seinem geistigen Auge. Der Erbfolger grinste. »Dylan McMour, darf ich vorstellen? Die Hüterin der Quelle.«
Die Hüterin der Quelle…
Sie stand inmitten des Wassers, und ihre Schönheit war so rein, so umfassend, dass Dylan fast die Tränen kamen. Die Hüterin war nackt, ihr Körper von absolut perfektem Wuchs, die Proportionen geradezu ideal… doch der Anblick dieser atemberaubenden Person hatte nichts Sexuelles an sich, sprach nicht den Mann in ihm an. Sondern den Menschen.
So, wie er jeden Menschen angesprochen hätte.
»Ich grüße dich, Dylan McMour«, sagte die Hüterin, und der Klang ihrer Stimme trieb dem jungen Schotten beinahe die Schamesröte ins Gesicht. »Du bist der, der gekommen ist. Du bist der, der kommen sollte. Denn du warst immer schon hier.«
»Ich… ich verstehe nicht«, stammelte Dylan. »W… Wussten Sie, dass ich hierher kommen würde?« Sein gesamter Körper schien zu vibrieren, so sehr überforderte ihn die Situation. Guter Gott, was war nur mit ihm los? Dies war doch nicht das erste Mal, dass er einer bezaubernden und textilfreien jungen Dame gegenüberstand!
Ist es wohl , schoss es ihm im gleichen Augenblick durch den Kopf. Irgendwie schon. Denn im Vergleich mit ihr ist alles Vorherige nicht der Rede wert.
»Ich wusste es schon immer, auch wenn es mir bis eben unbekannt war«, antwortete die Hüterin. »Denn dein Erscheinen machte es erst zur Konstante. An diesem Ort hat die Zeit, wie du sie verstehen magst, keine Bedeutung. Was ist, war schon immer. Und was erst noch wird, war immer schon gewesen.«
Dylan warf ihr einen Blick zu, der, wie er hoffte, irgendwo zwischen »Ach, nee!« und »Was zum Geier erzählst du da für'n Stuss?« schwankte, verkniff sich aber einen derartigen Kommentar. In Gegenwart der Hüterin kamen ihm Worte auf einmal belanglos vor, unwirklich. Unwichtig.
Genau wie Ortsangaben. Dylan hatte keinerlei Schimmer, wo er sich befand. Seit er auf Rhetts Wunsch hin die Schwelle zu dieser Sphäre überschritten hatte, hatte er verwelktes Gras und verwelkte Blätter gesehen, hatte eine hügelige Wiesenlandschaft durchquert und in der Ferne die Umrisse hoher Berge ausmachen können. Das reichte nicht einmal für den Versuch einer Ortsbestimmung. Dylan bezweifelte auch, dass überhaupt eine möglich war. Dies schien ein Nicht-Ort zu sein. Ein Irgendwo im Nirgendwo.
Die Hüterin kam näher. Hatte sie eben noch in der Mitte des Wassers gestanden - geschwebt, korrigierte er sich in Gedanken -, glitt sie nun auf ihn zu, und es sah aus, als bewegte sie dabei keinen Muskel unter ihrer makellosen Haut. Ihr Blick löste sich nicht von dem seinen.
Dann hob sie das Schwert, ihr einziges Requisit. Die Klinge der silbrig schimmernden Waffe schlug in der Luft Funken, die wie ein Goldregen auf die Wasseroberfläche fielen. Sie sahen bedrohlich aus.
Warum mache ich das nur mit? Im Geist hörte Dylan Rhetts Lachen. Diese Frage hatte er dem Erbfolger vorhin schon gestellt. »Weil es deine Bestimmung als Auserwählter ist«, hatte die Antwort gelautet. »Weil ich als Erbfolger es so möchte. Und weil McCain so das Interesse an dir verlieren dürfte. Denn wenn du vom Wasser der Quelle des Lebens kostest, wirst du vom Auserwählten zum Unsterblichen. Dann bist du kein Schlüssel mehr, den er sich aneignen und für seine eigenen Zwecke missbrauchen kann.«
Unsterblicher… Dylan war, als müsse das Wort auf ewig in seiner Erinnerung widerhallen, so sehr überwältigte es ihn. Vom Auserwählten zum Unsterblichen.
Alles veränderte sich, noch dazu in rasender Geschwindigkeit. Gestern erst war er nur ein
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