0945 - Zielort Kristallwelt
»Warum sollte ich? Einen derartigen Machtzuwachs kann ich nicht begrüßen, er würde nur unvorsichtig und größenwahnsinnig machen.«
Für einen Moment verlor Tan Morano die Contenance. Er winkte kurz mit der Hand und bevor Zamorra etwas tun konnte, flammte ein wabernder grüner Energieschirm um ihn herum auf. Er selbst tat nichts körperlich Anstrengendes, aber als der Angriff nach mehreren Sekunden zu Ende ging, fühlte er doch, dass die Aktion ihm Kraft entzogen hatte.
»Ach ja«, meinte Morano beinahe milde. »Dein Amulett. Ich könnte es dir einfach abnehmen. Aber es kann der Macht eines lebenden Dhyarras nichts anhaben. Es ist so viel schwächer, als ich es jetzt bin!«
»Was willst du, Morano?«
»Du hast mich als ERHABENER anzusprechen!«, donnerte der Vampir auf einmal und vollzog wieder eine Geste, die kaum auffiel. Wieder flackerte der grüne Energieschirm auf, doch Zamorra spürte den Zwang schon stärker. Im Bruchteil einer Sekunde entschied er sich, das Spiel eine Weile mitzuspielen.
Dylan, ich hoffe, du bist in der Nähe. Ich fürchte, es dauert nicht lange, bis ich dich und den E-Blaster brauche.
Er schaltete die magische Verteidigung ab und ging prompt wie von einer riesigen Faust niedergedrückt in die Knie.
Wieder huschte das grenzenlos verächtliche Lächeln des neuen ERHABENEN über Tan Moranos Gesicht.
»Warum ich hier bin, willst du wissen? Nun, ich weiß, dass du es warst, der die Vampir-Clans gegen mich aufgehetzt hast. Sie gehorchen mir nicht, und dahinter kannst nur du stecken.«
Zamorra starrte den ERHABENEN verblüfft an. Aha, ich hatte recht. Erste Anzeichen von Paranoia egocentrica. Bleibt wohl nicht aus, wenn man sich für die größte Macht und damit die größte Gefahr des Universums hält. Oder doch wenigstens die zweitgrößte. Doch noch würde er sich hüten, das in Worte zu fassen. »Wie bitte? Und was glaubst du, hätte ich wohl den Vampirsippen sagen sollen?«, fragte er stattdessen. »Glaubst du wirklich, die Führer der Vampir-Clans hören auf mich? Als ob es mich -«
»Still!« Wieder spürte Zamorra sich von einer unwiderstehlichen Macht niedergedrückt. Noch wehrte er sich nicht. Doch er bemühte sich, so verzweifelt wie möglich zu keuchen und warf wilde Blicke um sich. Und richtig, da, hinten, hinter dem anderen Löwen auf der anderen Seite der Freitreppe zum Eingang war kurz der Lauf eines E-Blasters zu sehen. Hoffentlich hatte Dylan die Gefahr erkannt und gleich auf Laser-Modus umgeschaltet.
Offensichtlich spielte er das gut, denn Tan Morano lachte wieder leise und ließ den Druck auf dem Meister des Übersinnlichen noch stärker werden. Zamorra ächzte nun wirklich.
»Ja, du hast es sehr geschickt angestellt«, sagte Morano sanft. »Du wolltest selbst nicht in Erscheinung treten, deshalb hast du dich mit diesem Feigling und Verräter an meinen Kindern der Nacht Fu Long zusammengetan. Es sieht so aus, als wäre er der Drahtzieher.«
»Und… und warum sollte er es nicht sein?«, nuschelte Zamorra. Der Druck auf seinen Rücken wurde immer stärker. Der Kies des Hofs drückte sich schmerzhaft in seine Wange.
»Der Fürst der Finsternis ist ein Feigling! Er kümmert sich nur um seine eigenen Angelegenheiten. Nicht um die Vampire!« Auf einmal fühlte Zamorra sich herumgeschleudert und hochgerissen. Jetzt hing er vor Morano in der Luft. Der ERHABENE hatte die Hand ausgestreckt, als hielte er Zamorra vor sich in der Luft, doch tatsächlich hing der Meister des Übersinnlichen etwa einen Meter von Morano entfernt frei über dem Boden. »Der Höllenfürst hat diese Macht zu oft abgelehnt, als dass jetzt glaubhaft wäre, dass er sich auf einmal darauf besinnt. Ich werde meine Kinder, alle Vampire vor der großen Gefahr, die auf sie lauert, retten! Und mich von zwei Schwächlingen nicht daran hindern lassen!«
Wieder schweiften Zamorras Blicke wie panisch über den anderen Löwen der Freitreppe. Dylans Gesicht lugte jetzt halb über den Rücken der Statue, und er starrte mit gerunzelten Brauen zu ihnen herüber. Zamorra nickte unmerklich und befahl dem Amulett, sich bereitzuhalten. Wenn Dylan schoss und er gleichzeitig das Amulett aktivierte, bestand zumindest eine Chance, den Vampir zu treffen. Dylan nickte hastig. Der Lauf des E-Blasters wedelte kurz hin und her.
»Morano«, meinte Zamorra jetzt erstickt, um den ERHABENEN noch ein wenig abzulenken. Es war schwer zu sprechen, wenn man von einer unsichtbaren Hand an der Kehle gepackt in der Luft hing. »Es
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