095 - Der leuchtende Schlüssel
sonst vielleicht seine Absicht durchkreuzt worden wäre, die Petroleumaktien zu kaufen. Ich habe das alles aus einem Brief ersehen, den er einem Türken nach Konstantinopel geschrieben hat. Ich nahm mir die Freiheit, ihn zu öffnen.
Obendrein wollte Moran morgen den Generaldirektor seiner Bank aufsuchen - das sieht nicht nach Selbstmord aus.«
»Aber wie erklären Sie sich denn dann die ganze Sache?«
»In Morans Abwesenheit ist jemand in sein Zimmer eingedrungen. Das war verhältnismäßig leicht, denn auf der Etage liegen zwei unbewohnte Zimmer, die ebenfalls einen Ausgang auf den langen Balkon an der Vorderseite des Hauses haben. Der Eindringling hat ein Betäubungsmittel in den Whisky gegossen und sich dann im Kleiderschrank versteckt. Als Moran den Whisky getrunken und die Besinnung verloren hatte, trat der andere aus dem Versteck hervor, hob Moran auf und legte ihn aufs Bett. Er verklebte alle Ritzen an Tür und Fenstern und drehte den Gashahn auf. Dann verließ er das Zimmer durch die Glastür, ging auf den Balkon, verklebte auch die Glastür noch von außen und kam in Miss Lanes Zimmer. Wahrscheinlich hat er die Türen auf dem Balkon verwechselt. In ihrem Zimmer hat er dann auch Morans Schlüssel verloren. Auf dem Korridor bemerkte er wohl den Verlust und wollte in Miss Lanes Zimmer zurückkehren. Sie wachte aber auf, und ihr Schrei verscheuchte ihn.«
»Aber wie konnte der Mann das Hotel verlassen, ohne daß ihn der Nachtportier sah?«
Surefoot lächelte mitleidig. »Es gibt drei Ausgänge. Am leichtesten war es für ihn, die Gesindetreppe zu benutzen und das Hotel durch die Küche zu verlassen.«
Surefoot unterstrich mit einem Bleistift ein paar Zeilen des Geständnisses.
»Sehen Sie einmal, wie sehr er Binny herausstreicht und lobt. Das ist doch sehr verfänglich. Jedes Kind muß ja merken, daß Binny dieses Schriftstück verfaßt hat!«
»Was - der Butler des verstorbenen Mr. Lyne?«
Surefoot nickte.
»Ich kenne ihn noch unter verschiedenen anderen Namen. In London war er zum Beispiel als Mr. Washington Wirth bekannt. Er ist der gesuchte Mörder.«
23
Die hohen Beamten sahen Surefoot verblüfft an.
Smith nahm ein längliches Kuvert aus der Brusttasche, das die Übertragung eines langen Chiffre-Telegramms sowie eine etwas verschwommene Fotografie enthielt.
»Dieses Bild wurde uns telegrafisch übermittelt. Es ist ein Foto von Arthur Ryan. Das ist ein anderer Name dieses Verbrechers, der sowohl in Chikago als auch in New York von der Polizei gesucht wird. Er arbeitete mit drei verschiedenen Banden zusammen und hatte Glück, daß er mit dem Leben davonkam. Ich werde Ihnen einen Abschnitt aus dem Telegramm vorlesen:
›Der Mann spricht ein sehr gewöhnliches Englisch und soll früher Kammerdiener gewesen sein. Seine Verbrechen begeht er in der Weise, daß er bei einer reichen Familie Stellung sucht und die Gelegenheit dann zu Räubereien großen Stils ausnutzt. In den Staaten hat er sich vielfach am Alkoholschmuggel beteiligt. Er ist verantwortlich für die Ermordung Eddie McGeans und steht im Verdacht, auch noch andere Morde begangen zu haben. ‹«
Er gab das Foto aus der Hand, damit die anderen es betrachten konnten.
»Das Bild ist nicht gerade sehr gut. Es wurde im Polizeipräsidium von New York aufgenommen. Aber es zeigt deutlich, daß es Binny ist. Ich habe ihn auf den ersten Blick erkannt.«
»Ja, das stimmt«, erwiderte Chefinspektor Knowles, während er das Foto prüfte. »Ich sah ihn hier im Hause, als Sie ihn verhörten. Aber mir ist nicht klar, warum er den alten Lyne ermordet haben soll?«
»Weil er sein Geld unterschlagen hat. Miss Lane hat uns auf die Spur gebracht. Es tut mir leid, daß ich nicht selbst so schlau war, alles zu durchschauen. Sämtliche gefälschten Schecks waren am Siebzehnten des jeweiligen Monats ausgeschrieben. Da sie dem alten Mann längere Zeit die Wirtschaft geführt hatte, wußte sie, daß er an diesem Tag stets die Rechnungen der Geschäftsleute bezahlte. Er hatte dabei die üble Angewohnheit. Mitteilungen, meistens sogar recht beleidigende Äußerungen, auf die Rückseite der Schecks zu schreiben. Ich entdeckte eine solche Bemerkung, die lautet: ›Schicken Sie nicht mehr chinesische E...‹ Miss Lane wußte, daß Lyne ständig glaubte, er würde von den Kaufleuten betrogen. Er nahm an, daß sie ihm sogar alte chinesische oder andere importierte Eier schickten. Und um dem Händler ins Gewissen zu reden, schrieb er bei Bezahlung der Rechnung derartige
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