0958 - Die Kinder des El Rojo
nicht, doch ihr Einsatz war in einer Katastrophe geendet. Ihre kleinen Schutzbefohlenen hatte man wieder in ihre Unterkünfte gebracht. Sie selbst war Gefangene des Aufsehers Alejandro geworden, der sie nun seit Wochen quälte. Er war dabei äußerst geschickt. Nie verletzte er sie so schwer, dass die Wunden ein ernsthaftes Problem waren. Doch der Tag war nicht mehr fern, an dem seine unerfüllte Geilheit ihn jede Vorsicht vergessen lassen würde.
Der Mann war ein Krüppel, dem beide Füße amputiert worden waren. Auf seinen beiden Krücken hinkte er über das Anwesen, peinigte die Kinder und selbst die Erwachsenen, die hier im Kartell arbeiteten. Alle fürchteten sich vor ihm und seinen rasch geschwungenen Krücken.
Alita fürchtete jedoch die Messer des Alten.
Noch mehr jedoch seine gierigen Finger, die nicht von ihrem nackten Körper lassen konnten. Mehr als das ließen die Kräfte Alejandros nicht mehr zu, also holte er sich seine Befriedigung durch die Qualen der Schönheit.
Vor drei Tagen war El Rojo wieder auf dem Anwesen, das direkt am Rande eines schmalen Dschungelgürtels lag, angekommen. Dort draußen geschah etwas - das fühlte auch Alejandro, doch es ging ihn nichts an. Eine Gefahr für den Sitz des Kartells würde es sicher nicht darstellen.
Alejandro schloss die Tür hinter sich und ließ die Frau mit ihren Schmerzen alleine. In einigen Stunden würde sie wieder so weit gestärkt sein, dass er sich erneut an ihrer Misshandlung erfreuen konnte.
In dem großen Herrenhaus war es auffällig still. Selbst aus den Nebentrakten, in denen die Kinder untergebracht waren - und in denen sie mit aller Strenge und Härte erlernen mussten, was El Rojo von ihnen erwartete - drang kein Laut an Alejandros Ohren. Er trat auf den zentralen Platz und lauschte.
Er war nun seit vielen Jahren hier. Im Grunde war ein ständig unterschwellig vernehmbarer Lärmpegel die Normalität. Etwas, dass man nach einer gewissen Zeit überhaupt nicht mehr registrierte. Doch seit einiger Zeit war dieser immer präsente Level nach unten abgesunken. Alejandro hatte das zunächst überhaupt nicht bemerkt, doch dann war es zu auffällig geworden.
Und rasch hatte Alejandro den Grund ausgemacht. Es war der Dschungel, der sich hinter dem Anwesen erstreckte. Die typischen Laute, die es in so einem Waldstück immer gab, waren verschwunden - restlos verschwunden.
Wie von einem Magnet angezogen humpelte Alejandro auch jetzt wieder in Richtung des Urwaldes. Nur wenige Schritte vor der Baumgrenze blieb er stehen. Automatisch legte er den Kopf schräg, als würde das sein Hörvermögen steigern können. Das konnte nicht sein. Ein schweigender, absolut stummer Dschungel war ein Ding der Unmöglichkeit.
Lange Minuten stand er so da und versuchte ein Vogelkreischen oder das Rascheln des Waldbodens zu erhaschen. Und tatsächlich ertappte er sich dabei, sich so einen Laut herbeizusehnen - er, der Tiere ganz einfach nicht mochte, ebenso wenig wie Kinder. Irgendwann löste sich die Anspannung in ihm und er gab diesen Versuch auf. Er hatte noch genug im Haus zu erledigen. Hier herumzulungern brachte ihn hingegen keinen Deut weiter. Abrupt machte er auf seinen Krücken eine Wende um 180 Grad - und schrie in panischem Schrecken auf.
Nur einen Schritt hinter ihm stand El Rojo höchstpersönlich. Der Clanchef der kolumbianischen Vampire hatte seine menschliche Gestalt angenommen. Er sah aus wie ein typischer Latino, ein Macho aus Kolumbien, wie man sie in Bogota immer antreffen konnte. Nur seine Augen und der höllische Zug um seine Lippen hoben ihn eindeutig von allen anderen ab. Sein Körper war muskulös und ließ ahnen, dass dieser Vampir nicht unbedingt seine schwarzmagischen Kräfte brauchte, wenn er sich durchsetzen wollte. Er war absolut skrupellos und brutal - dieser Ruf ging ihm voraus und war alles andere als ein Gerücht. Alejandro wusste, wie vielen Konkurrenten El Rojo mit Vergnügen die Hälse gebrochen hatte.
»Patron! Du bringst mein Herz zum Stillstand!« Der alte Mann hätte seine liebe Mühe und Not Atem zu holen.
»Was machst du hier, Alejandro? Los, raus damit und nimm kein Blatt vor den Mund. Ich will es ganz genau wissen.«
Das alte Faktotum schien nicht recht zu wissen, was er darauf antworten sollte. Was machte er denn tatsächlich hier? War es Unsicherheit, die ihn immer hierher trieb? Angst vor dem, was da nur wenige Schritte entfernt geschehen mochte - vor dem, was geschehen war?
»Ich glaube, ich komme an diesen Ort,
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