0962 - Wächter der goldenen Stadt
war, sich zum Herrscher aufzuwerfen und eine ganz andere, seine Herrschaft durch entsprechendes Verhalten aufrechtzuerhalten.
*
„Wer bist du wirklich - oder was bist du wirklich?" fragte eine Schatten-Type namens Aritha, die den Vario-Roboter s’chon die ganzen letzten fünf Stunden belauert hatte. Insgesamt waren seit Olkyras Anerkennung als Herrscherin knapp dreißig Stunden vergangen. .
„Ich bin Anson, der Diener unserer Meisterin", antwortete Anson Argyris.
„Aber du bist kein Auriger", erwiderte Aritha. „Und ein Orbiter bist du auch nicht. Ich möchte gern wissen, wie ich dich einstufen soll."
Der Vario-Roboter hatte es kommen sehen, daß sich die Auriger nach einiger Zeit dafür interessieren würden, was er eigentlich darstellte. Das ‘ barg einige Risiken in sich, aber es wäre sinnlos gewesen, sich den Fragen der Orbiter nicht zu stellen.
„Ich komme aus einem weit entfernten Teil der Anlage", erklärte er deshalb, bei der Version bleibend, die er auch Olkyra erzählt hatte. „Die dort lebenden Getreuen der Meisterin, mein Volk, erfuhren von der Verschwörung gegen die Meisterin und schickten mich aus, um ihr beizustehen."
Aritha lächelte spöttisch.
„Indem du ihr sagst, was sie tun und was sie lassen soll, nicht wahr, Anson?"
„In geringen Dingen stehe ich ihr auch mit meinem Rat bei, aber in wichtigen Dingen befragt die Meisterin nicht mich, sondern über mich das Orakel von Kai-Kai, das die Meister der Erschaffung für sie zurückließen."
„Was ist das Orakel von Kai-Kai?"
„Es ist die Große Maschine, die auf alle Fragen eine Antwort weiß, aber ihre Ratschläge so formuliert, daß man sie verschieden auslegen kann. Das hat seinen Sinn, denn wären die Ratschläge absolut eindeutig, kämen sie einer Bevormundung der Meisterin gleich. So jedoch liegt die endgültige Entscheidung immer bei der Meisterin selbst."
„Das klingt logisch." Arithas Gesichtsausdruck verriet, daß sie einerseits Ansons Antworten glaubte, andererseits aber noch nachdenklicher geworden war.
„Es ist logisch - und deshalb ist es so und nicht anders", sagte der VarioRoboter. „Aber nachdem ich einige Fragen von dir beantwortet habe, möchte ich ebenfalls einige Fragen stellen, denn im Unterschied zum Orakel von Kai-Kai bin ich nicht allwissend. Wirst du mir einige Fragen beantworten, Aritha?"
Die Schatten-Type zögerte, doch dann gab sie sich einen Ruck und bejahte die Frage.
„Warum nennt ihr euch Auriger?" fragte Anson Argyris.
„Der Name wurde uns von den Orbitern gegeben, weil der Mutterschoß uns Bevorzugte mit den goldfarbenen Sternen auf unseren Handflächen auszeichnete."
Anson Argyris begriff, was Aritha meinte. Die Bezeichnung „Mutterschoß" galt mit Sicherheit der Endstufe der Orbiter-Produktionsanlage - und die goldenen Zeichen auf den Handflächen der „Bevorzugten" waren wahrscheinIich eine Markierung, an der die Entarteten erkannt wurden. Anscheinend arbeitete die Endkontrolle fehlerhaft, sonst hätten die fehlerhaften Produkte nicht entkommen und sich in Auriberge einen sicheren Zufluchtsort schaffen können.
„Wenn ihr Bevorzugte seid, warum habt ihr euch dann nach Auriberge zurückgezogen?" fragte er provozierend. „Warum verkriecht ihr euch wie Aussätzige?"
Auf Arithas Gesicht zeigte sich Entrüstung.
„Wir sind von den Schicksalsmachten bevorzugt, aber die Roboter und Orbiter erkennen das in ihrer Verblendung nicht!" stieß sie wütend hervor. „Sie versuchen, uns einzufangen!"
„Gelingt ihnen das manchmal und was geschieht dann mit den Eingefangenen?"
Diesmal verzerrte sich Arithas Gesicht in glühendem Haß.
„Man sperrt sie in geschlossene Sektionen, um zu verhindern, daß sie ihrer Bestimmung gerecht werden!
„ „Quält man sie?"
„Ist das nicht Qual genug? Genügt es nicht, ihnen den Ablauf ihrer Tage und Nächte vorzuschreiben und ihnen jede sinnvolle Betätigung abzunehmen, um sie damit grausam zu quälen?"
„Du sagtest etwas von einer Bestimmung der Bevorzugten", erklärte der Vario-Roboter. „Was ist das für eine Bestimmung, Aritha?"
Aritha blickte den Vario-Roboter verwundert an.
„Du mußt hier wirklich fremd sein, wenn du das nicht weißt, Anson. Die Bestimmung der Bevorzugten ist es, sich auf den Tag vorzubereiten, an dem der Große Cronk kommt, um sie abzuholen und sie zur anderen Seite der Ewigkeit zu führen, wo sie über die Unwissenden herrschen werden. Leider haben manche Bevorzugten andere Vorstellungen von ihrer
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