0962 - Wächter der goldenen Stadt

oder später um Charlie kümmern würde.
    „Jeder von uns hat seine Schwächen, nicht wahr, Anson Argyris!" ertönte die hallende Stimme des Wächters.
    Anson Argyris ortete ihn im gleichen Augenblick.
    Wieder stand der verrückte Roboter auf einer Antigravplattform und wieder war er unbewaffnet.
    „Meine Schwäche ist mein Verantwortungsgefühl, Roboter!" rief Anson Argyris zurück. „Was hast du mit Charlie gemacht?"
    „Alles und jedes läßt sich zu einer Waffe verwenden, Anson Argyris. Ich habe Charlie zu meiner Waffe gemacht. Mit ihm werde ich unser Duell zu meinen Gunsten entscheiden."
    „Das wäre unmenschlich!" rief Anson Argyris - und erkannte im gleichen Augenblick, daß der Wächter nicht.einmal wissen mochte, was Menschlichkeit überhaupt war.
    Er hörte das Aufheulen eines abrupt hochgeschalteten Schweberantriebs und wußte, wer den Schweber steuerte, aber er reagierte nicht darauf.
    „Charlie ist so etwas wie mein Sohn!" rief er dem Wächter zu. „Er wird sich nicht als Waffe gegen mich, seinen Vater, Herrn und Meister, mißbrauchen lassen! „ Er ortete einen zwischen den bizarren Bauwerken schnell herumkurvenden und sich nähernden Kampfschweber.
    „Es gibt Methoden, niederwertige organische Intelligenzen willkürlich zu motivieren, Anson Argyris", erwiderte der Roboter.
    Alle Knitter-Orbiter sind praktisch Mutanten, sonst könnten sie nicht leben! dachte Argyris. Lassen sich Mutanten tatsächlich so leicht manipulieren, wie du denkst, Wächter?
    Er ortete den Kampfschweber, wie er das letzte Hindernis umkurvte und noch einmal voll beschleunigte.
    Auch der Wächter merkte, was geschah. Er hob die Arme und deutete auf Anson Argyris.
    Aber der Kampfschweber raste mit unverminderter Geschwindigkeit jetzt auf ihn zu, prallte mit fürchterlicher Wucht gegen ihn und explodierte, als er mit einer Stütze des Bauwerks kollidierte. Als der Explosionsblitz erlosch, prasselten sekundenlang Trümmer gegen Wände und „Straßen", dann herrschte eine bedrückende Stille.
    Anson Argyris wußte, daß von Charlie wenig übriggeblieben war. Er war traurig und zugleich stolz auf den Knitter-Orbiter, der ihm seine Treue und seine Menschlichkeit mit der letzten Handlung seines Lebens bewiesen hatte.
    „Du hast gesiegt, Anson Argyris", sagte eine brüchig klingende Stimme. „Der Verlierer erweist dir seine Referenz."
    Mit seinen Ortungsinstrumenten erkannte Argyris, daß sie aus dem Rundschädel des Roboters kam, der etwa fünfzehn Meter von den übrigen verstreuten Teilen seines Metallplastikkörpers entfernt auf einer Formenergierampe lag.
    Langsam schwebte er auf den Rundschädel zu, verharrte dicht vor ihm und sagte: „Du tust mir leid, denn du mußt innerlich gewußt haben, daß der Manipulierungsversuch Charlies fehlschlagen würde. Aber du wolltest deine Existenz beenden. Warum und warum so sinnlos?"
    „Meine Existenz war sinnlos geworden, denn ich ahne, daB Armadan von Harpoon tot ist. Und warum sollte ich länger auf jemanden warten, der bis zum Ende allen Seins nicht zurückkehren wird!"
    „Wenn du sterben wolltest, brauchtest du nicht den armen Charlie mit hineinzuziehen!" rief Anson Argyris zornig.
    „Dies war eine letzte Prüfung, Anson Argyris", erwiderte der Rundschädel mit immer schwächer werdender Stimme. „Ich weiß im Sterben, daß du kein Feind bist und daß deine Menschheit nicht mit den Horden von Garbesch identisch sein kann."
    „Und was nützt es der Menschheit nun?" fragte der Vario-Roboter voller Verzweiflung und Bitterkeit.
    „Höre mir gut zu, bevor ich zu einem bloßen technischen Instrument werde, Anson Argyris! Ich bin der Schlüssel zum Raum der Rückkehr. Nimm mich und bringe mich in Kontakt mit dem Zentrum des Goldenen Labyrinths !„ Seine letzten Worte waren so leise gewesen, daß selbst Argyris’Verstärker sie kaum verständlich machen konnten.
    Anson Argyris wußte nicht, ob der Wächter sich zuletzt noch einen makabren Scherz mit ihm erlaubt hatte, aber er wußte, daß er angesichts der verzweifelten Lage der Menschheit jede noch so vage Möglichkeit wahrnehmen mußte.
    Er hob den schwarzglänzenden Rundschädel auf, klemmte ihn sich gleich unter einen Tentakelarm und schwebte unbehelligt bis zum kugelförmigen Paratronschutzschirm im Zentrum der verbotenen Zone.
    Zwei. Meter vor dem drohenden Energieschirm verharrte er, dann warf er den Rundschädel gegen die vernichtende Paratronenergie.
    In dem Augenblick, in dem der Schädel den Schutzschirm berührte,