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0963 - Wächter der Blauen Stadt

0963 - Wächter der Blauen Stadt

Titel: 0963 - Wächter der Blauen Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred H. Rückert
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führen, doch dann war ihm wichtiger gewesen, die Unglücksbotschaft von Lady Patricias Tod zu überbringen. Sergej hatte ein Recht darauf, vom Tod seiner Freundin zu erfahren, auch wenn das die für ihn größte Katastrophe war, seit er auf dem Silbermond lebte.
    Luc Avenge war ein großer, blasshäutiger, hagerer Mann mit halblangen schwarzen Haaren und dem Aussehen eines Mittvierzigers. Die Nase war leicht gebogen, die Lippen schienen stets zu einem spöttischen Lächeln bereit. Sein attraktives Äußeres machte es ihm leicht, bei den Damen der Schöpfung Anschluss zu finden.
    Ein Blick auf die Uhr zeigte ihm, dass das Geschäftsgespräch in wenigen Minuten stattfinden würde. Robert Tendyke hatte den Ruf, pünktlich zu sein.
    Und wirklich, fünf Minuten vor dem Termin sagte Tendykes Sekretärin: »Mister Avenge, mein Chef erwartet Sie.«
    ***
    Das letzte Viertel der Mondphase hatte gerade begonnen, in wenigen Tagen würde Neumond sein. Die beiden jungen Männer, die auf ihren Kamelen unterwegs waren, störte das kaum, denn sie kannten es nicht anders. Als Späher hatten sie gelernt, sich auch ohne Beleuchtung in der Wüste zurechtzufinden, außerdem würde die Sonne in wenigen Minuten aufgehen. Innerhalb kurzer Zeit würde die Temperatur wieder ansteigen und beachtliche Werte erreichen.
    Die Männer waren als Kundschafter unterwegs, sie beobachteten die Gegend rund um ihr mobiles Nomadendorf. In der westlichen Welt wurden die Mitglieder dieses Volkes Tuareg genannt, sich selbst bezeichneten sie als Imuhagh . Dieser Stamm lebte im Süden von Libyen.
    Von den Demonstrationen gegen Staatschef Gaddafi und den Kämpfen - von dessen Garde gegen das eigene Volk - die vor zwei Monaten das Land erschütterten, hatten die Imuhagh sogar hier einiges persönlich mitbekommen.
    Die Männer trugen schwarze, am Saum mit weißen oder gelben Fäden bestickte Hosen, lange, bis zu den Knöcheln reichende Übergewänder und den unverzichtbaren Gesichtsschleier. Ihrem Glauben nach mussten sich die Männer, die häufig in der Wüste und in den Bergen unterwegs waren, vor den Geistern der Toten schützen, die versuchten, auf dem Weg über den Mund Besitz von den Lebenden zu ergreifen. Durch das jahrelange Tragen des Aleshu , des indigoblau gefärbten und per Hand aus vielen Stoffbahnen zusammengenähten Stücks Stoff, wurde ihre Gesichtshaut bläulich gefärbt.
    Seit zwei Stunden ritten sie schweigsam nebeneinander, sie verstanden sich auch ohne Worte. Die Wortkargheit hatte ihren Grund, denn bei der Entdeckung von Räubern musste sich einer auf den anderen verlassen können. Zu große Geschwätzigkeit hätte eventuelle Gegner gewarnt.
    Im Licht der aufgehenden Sonne sahen sie die mit Geröll bedeckte Landschaft wie mit Gold überzogen vor sich glänzen; die Schatten wirkten durch die schräge Sonneneinstrahlung überlang. Bis an den Horizont erhob sich die endlos erscheinende Wüste vor ihnen. Die einzige Abwechslung für die Augen stellten kleinere Berge dar. Ansonsten herrschte die gewohnte Leere vor, die für die Imuhagh dennoch ihren Sinn besaß. Zufrieden bemerkten sie, dass es außer ihnen weit und breit kein menschliches Wesen gab.
    So ritten sie einige Minuten weiter auf ihren Wüstenschiffen.
    Ghoumour, der jüngere von beiden, zuckte zusammen, als er etwas auf dem Boden sah, das er nicht so recht einschätzen konnte. Dann zeigte er mit der Hand, in der er eine Art Reitgerte hielt, auf das Objekt, das seine Aufmerksamkeit erregt hatte.
    Sein Begleiter Moumouni blickte ihn fragend an. Er legte eine Hand an den Tagelmust genannten Gesichtsschleier und zog ihn etwas nach unten.
    »Was ist das?« Moumouni blickte fragend von dem lilabraunen Ding, das einige Meter vor ihnen auf dem Boden lag, auf seinen Begleiter. Dann lenkte er sein Reittier zu dem fremden Ding.
    »Wir sollten vorsichtig sein, Moumouni«, gab Ghoumour zu bedenken. Als er bemerkte, dass Moumouni den Tagelmust wieder hochschob, war er erleichtert. So konnte es den Kel Eru und Kel Essuf , den guten und bösen Geistern, nicht gelingen, in den Mund seines Freundes zu gelangen.
    Die Kamele scheuten, als sie bis auf fast zehn Meter an das seltsame Wesen heran waren. Die Männer beruhigten die Tiere und hielten Abstand.
    »Willst du wirklich dorthin?« Ein eiskalter Luftzug schien unter Ghoumours Kleidung zu fahren, der junge Mann bekam eine Gänsehaut. Er schaute seinen Gefährten fragend und bittend zugleich an. Sein stummer Blick bedeutete: Können wir nicht gleich

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