0963 - Wächter der Blauen Stadt
Fell fraß. Innerhalb weniger Sekunden verendete die Beute der Sandrasselotter zuerst unter Schreien, dann unter spastischen Zuckungen; der Speichel fraß schlussendlich den halben Kopf der Ratte weg.
Die Viper selbst konnte ihre Giftzähne kaum aus der zähen Haut des Höllenwesens lösen. Sie zitterte, aber nicht vor Angst oder Kälte. Das Maul öffnete sich wie zu einem lautlosen Schrei, dann löste sich die züngelnde Zungenspitze auf.
Die Giftzähne folgten innerhalb weniger Sekunden. Sie verschwanden, als hätte sie jemand weggeätzt. Der Körper der Sandrasselotter verkrampfte sich im Todeskampf.
Herzrhythmusstörungen, Hirnblutungen, Nierenschäden oder Lähmungserscheinungen und ein Schockzustand treten nach dem Biss einer ägyptischen Sandrasselotter auf. Ohne Antiserumbehandlung tritt innerhalb kurzer Zeit der Tod ein.
Dagegen hatte die Viper nicht den Hauch einer Chance gegen das bewusstlose Dämonenmädchen. Als sie auf die von Dämonenspeichel durchlöcherte Ratte sank, lebte sie schon nicht mehr. Kassandras schwarzes Blut hatte den Kopf der Sandrasselotter zerfressen. Es war Ironie des Schicksals, dass die Giftschlange starb, weil sie ein schwarzmagisches Wesen mit ihrem Gift infizieren wollte. Die kleine Dämonin stöhnte vor Erschöpfung leicht auf und begab sich in eine andere Schlafstellung.
Vom Biss der Giftschlange und dem Tod der beiden Tiere hatte sie nichts mitbekommen.
***
Irgendetwas zog die beiden Fremden an. Etwas, das auf der einen Seite vertraut schien, auf der anderen Seite unglaublich fremd war. Sie konnten noch nicht einmal genau definieren, um was es sich dabei handelte, denn die Spur, der sie gefolgt waren, war fast verwischt. Etwas anderes überlagerte die Fährte und sorgte dafür, dass sie zweifelten, ob sie ihren Fähigkeiten trauen durften.
Aber sie wussten, dass die Spur schwarzmagisch war, so wie sie auch.
Derjenige, der die Spur hinterlassen hatte, war einst unglaublich stark gewesen. Vor dieser Kraft mussten sich selbst die Höllenbewohner gefürchtet haben.
Und mit einem Mal wusste der ältere von ihnen, wer sich hier unten befunden hatte. Er hatte diese unheilvolle Aura schon erlebt, als die Schwarze Familie vor dem Unbekannten gezittert hatte. Kurz danach hatte es den letzten Äonenwechsel gegeben, bei dem Menschen zu Dämonen wurden und Dämonen zu Menschen…
»Das ist die Ausstrahlung von Amun-Re gewesen«, sagte er und zog die Lefzen breit. »Nur er besaß jene einmalige Stärke, vor der sogar KAISER Luzifer gewarnt hat.«
»Amun-Re?«, hauchte der andere voller Unglauben. Furchtsam sahen sie sich um.
Ihnen war zumute, als ob der ehemalige Erzmagier und Herrscher des Krakenthrons des versunkenen Atlantis hinter ihnen stünde.
***
Mit düsteren Gedanken soll man nicht in eine Verhandlung gehen , fand Luc Avenge. Obwohl er sich vorgenommen hatte, sich nur auf die bevorstehende Unterredung zu konzentrieren, schweiften seine Gedanken immer wieder ab. Aber das war auch kein Wunder! Schließlich hatte er Sergej, einem seiner engsten Freunde, die Botschaft überbringen müssen, dass dessen Freundin Patricia Saris gestorben war; die besondere Tragik dieses Falls bestand darin, dass ihr eigener Sohn sie erwürgt hatte.
Avenge schloss die Augen, als er sich die Reaktion Sergejs ins Gedächtnis rief. Der Silbermond-Druide hatte nicht etwa geweint oder geschrien, nein, er war still gewesen, nur seine vor Schock geweiteten Augen hatten Zeugnis gegeben, wie unendlich leer es in ihm aussah, wie tief ihn diese Hiobsbotschaft getroffen hatte.
Stundenlang war Sergej nicht ansprechbar gewesen, noch nicht einmal seine besten Freunde Vali und Luc, Silbermond-Druiden wie er, hatten Zugang zu ihm gefunden. Sergej hatte sich mittels zeitlosem Sprung in das Stille Gebirge versetzt, einem der unzugänglichsten Teile des Silbermonds. Dort zog er sich in völlige Abgeschlossenheit zurück. Erst nach zwei Tagen hatte er sich wieder so weit in der Gewalt, dass er zu seinen Gefährten zurückkehrte.
Als Sergej wieder auftauchte, erkannten Vali und Luc gleich, dass er sich verändert hatte. Er würde bestimmt Jahre brauchen, um sich von diesem seelischen Schlag zu erholen.
Und jetzt saß Avenge im hellen Vorzimmer der Tendyke Industries in El Paso, im Bundesstaat Texas. Gleich nach seiner Rückkehr vom Silbermond zur Erde hatte es ihn hierher gezogen. Er hatte schon vor seinem Besuch auf dem Silbermond vorgehabt, ein geschäftliches Gespräch mit dem Firmenchef Robert Tendyke zu
Weitere Kostenlose Bücher