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0965 - Die zweite Unendlichkeit

0965 - Die zweite Unendlichkeit

Titel: 0965 - Die zweite Unendlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Borner
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streckte den Arm aus und deutete Ellie, zu ihm zu kommen. »Zwei«, sagte er dann. »Sehr erfreut.«
    »Da draußen«, begann Ellie, sowie sie neben ihm stand, »sind zwei Monster. Sie eilen durch die Gänge und jagen einander. Ich… Ben, ich habe Angst.«
    Dann hörten sie den Schrei - und Ellie Campbell rannte los.
    ***
    Feuer.
    Gestank.
    Schmerz!
    Die Eindrücke prasseln auf ihn ein wie ätzender Regen. Regen, dessen Tropfen sich sammeln - zu Pfützen zunächst, dann Rinnsalen, Bächen, Flüssen. Binnen eines Sekundenbruchteils ist eine Sintflut aus ihnen gewachsen und reißt ihn mit, packt ihn und macht ihn zu ihrem Opfer.
    Wehrlos.
    Hoffnungslos.
    Dann ist es vorbei.
    ***
    Beim Anblick des Monstrums stockte dem Meister des Übersinnlichen der Atem.
    Das war eine Spinne aus Schwärze und lodernder Wut, Substanz gewordene Macht. Rotglühende Augen waren wie Inseln in ihrem dunklen, formlos scheinenden Leib, und ihr Geist schien nur aus Hass zu bestehen. Zamorra war zwar nicht Ben, aber auch er spürte es sofort: Dieses Wesen war wütend. Hungrig gar.
    Und er fürchtete, ihm hoffnungslos ausgesetzt zu sein.
    Nicole, Ben und er waren der plötzlich fortgeeilten Ellie Campbell nachgelaufen, bis sie sie eingeholt hatten. Nun standen sie zu viert im nahezu stockfinsteren Korridor dieses seltsamen Ortes. Sie spähten um die Ecke, die der schmucklose Gang vor ihnen machte, und auf den Kampf, der sich hinter ihr abspielte.
    Ein Mann stand am Rande des Bereichs, den Zamorras Augen gerade noch ausmachen konnten. Er war groß, trug einen dunklen, langen Mantel und hatte das grau melierte Haar sorgsam zurückgekämmt, wenngleich es ihm mittlerweile mehr und mehr aus der Fasson ging. Seine blasse Haut verlieh ihm nahezu ein distinguiertes Auftreten.
    Er hatte den anderen den Rücken zugewandt, sie vermutlich nicht einmal wahrgenommen. Verständlich, denn das Monstrum, mit dem er sich sichtlich auf Leben und Tod bekriegte, beanspruchte seine gesamte Aufmerksamkeit. Je mehr sich Zamorra anstrengte, desto mehr des Ungetüms konnte er erblicken und sah seine Spinnen-Theorie alsbald bestätigt. Das musste wirklich eine Art Spinne sein, allerdings eine, die den grau melierten Mantelträger, den sie sich offensichtlich als Opfer auserkoren hatte, um gut einen halben Meter überragte. Das Tier füllte fast den gesamten Gang mit seinem Körper aus. Lange, dürre Beine trugen seinen Leib, und unterhalb der Glutaugen öffnete sich nun ein Maul, in dem Höllenfeuer zu lodern schienen. Dickflüssiger, brauner Glibber tropfte von seinen Mandibeln und dampfte in der kalten Luft des Ganges. Wo er den Boden - oder schlimmer: Mantel und Haut des Fremden - berührte, zischte es.
    Säure , begriff Zamorra. Zumindest irgendetwas Ätzendes, das sich in alles frisst, was es berührt.
    »Ben…« Ellie Campbell klang quengelnd und überfordert. Ängstlich.
    »Ich weiß«, sagte ihr Bruder schlicht. Abermals schien er zu wissen, was sie dachte. Dann wandte er sich Zamorra und Nicole zu. »Ellie hat den Kampf dieser beiden erlauscht , das heißt mittels ihres Talents erspüren können. Und plötzlich wusste sie, wie sie dem Fremden helfen konnte - genau, wie ich es bei Ihnen beiden wusste. Deshalb ist sie weggerannt.«
    »Und wie?«, fragte Nicole. »Was immer Sie vorhaben, Ellie, beeilen Sie sich.«
    »Nicht ich«, sagte die junge Frau leise. »Sie.«
    Zamorra blinzelte. »Ich fürchte, ich verstehe nicht.«
    » Sie können ihm helfen, Professor. Nur Sie. Mit Ihren magischen Waffen.«
    Ratlos starrte Zamorra sie an. Ellie war gut einen Kopf kleiner als er, aber von einer so natürlichen Schönheit, dass sich auf der Straße sicher ständig Männer und Frauen gleichermaßen nach ihr umdrehten. Ihr rotblondes Haar ging ihr bis kurz oberhalb der Schultern, und ihre reine, blasse Haut wirkte so makellos, wie sich die Menschen, die sich nach ihr umdrehten, wohl auch ihre Seele vorstellten.
    Aber war sie das auch? Was wusste er über diese Frau - wenn sie überhaupt schon alt genug für eine solche Bezeichnung war? Nichts wusste er.
    Doch , widersprach er sich sofort. Dass sie deine Gedanken kennt. Und vermutlich auch die der Spinne. Sie wird wissen, was sie tut. Ihr Bruder wusste es schließlich auch.
    Der Meister des Übersinnlichen hob die Hand zur Brust und umfasste Merlins Stern . Die andere Hand glitt zum Dhyarra in seiner Jacketttasche. »Sind Sie sicher?«, hakte er ein letztes Mal nach. »Sie wissen, dass ich bei Nicole nichts ausrichten

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