Die Stunde der toten Augen
Die Männer
Die Maschine flog sehr hoch. Sie befand sich weit über den Wolken, und das Geräusch ihrer Motoren war auf der Erde nicht mehr zu hören. Es war eine umgebaute Junkers, eingerichtet, acht Soldaten mit leichter Gefechtsausrüstung zu befördern. Sie war mit einer Schiebetür versehen; denn die acht Soldaten verließen die Maschine an Fallschirmen.
Draußen war Nacht. Die tiefe unendlichkeitsträchtige Schwärze des sterngesprenkelten Himmels. Die Wolken waberten wenige hundert Meter über der Erde, zäh, verfilzt. Zu einer stumpfen, grau schimmernden Masse. Es war eine Neumondnacht, und außer dem unsteten Geflacker der Sterne gab es kein Licht. Es gab nur die leere, angsteinflößende, finstere Stille, vom Motorenlärm der Maschine zerrissen, sonst nichts. Die Männer in der Maschine wußten das. Sie konnten nicht nach draußen blicken; denn die Maschine hatte keine Fenster. Aber sie wußten trotzdem, was sie erwartete, wenn sie sich aus der Schiebetür schwangen: die paar hundert Meter Fall durch den lautlosen, immer wieder unbekannten Raum, der zwischen der Erde und dem Gewebe der Nachtwolken lag. Und dann die Erde.
In der Maschine war es eng. Der Raum war nur von einer schwach bläulich schimmernden Sicherheitslampe erhellt. Er war angefüllt von den Ausdünstungen der Männer, von dem schweißigen Geruch ihrer Körper, dem ihres Lederzeuges und des Tabakrauches, den ihre Bekleidung angenommen hatte. Acht Männer saßen nebeneinander auf den schmalen Längsbänken, die Körper ein wenig vorgebeugt, gekrümmt in dem Gurtwerk der Fallschirme. Auf den Köpfen die topfartigen Helme, mit gescheckter Tarnleinwand überzogen, vollführten zuweilen nickende Bewegungen, denn die Männer hatten die Riemen am Kinn und hinter den Ohren noch nicht festgezogen. Zwischen den Knien lagen die Hände, regungslos, wie abgestorben, oder unruhig, ziellos bewegt. Sie trugen sehr kleine, kurze Maschinenpistolen quer über der Brust, über dem Tarnanzug, der ebenso gescheckt war wie der Überzug des Helms. Es waren leichte, Spielzeuggewehren ähnelnde kurzläufige Waffen, italienische Berettas, die gegen Schmutz und Nässe nicht halb so empfindlich waren wie die deutschen Maschinenpistolen. Keine andere Waffe war sonst an den Männern zu erkennen. Sie hatten die Handgranaten in den Hosentaschen verstaut und die Pistolen in den Innentaschen der Tarnanzüge. Andere Taschen bargen Patronen und Schokoladenriegel, Zündkabel und Verbandpäckchen, Drahtspulen und schnell wirkende Schmerztabletten.
Nur einer der Männer trug keine Maschinenpistole. Zwischen seinen Füßen stand der Behälter mit den Sprengladungen. Den hatte er zur Erde zu bringen. Es waren Sprengkörper, die man mit einem Vorschlaghammer hätte bearbeiten können, ohne Gefahr zu laufen, daß sie explodierten. Ein absolut sicheres Sprengmittel, das erst wenige Minuten vor der beabsichtigten Zündung durch die Kombination mit einer winzigen, länglichen Kapsel in hochexplosiven Zustand versetzt wurde. Der Mann wußte das. Einmal hatte er, als es keine andere Möglichkeit gab, eine Ladung dieses Sprengstoffes vermittels eines zwölfzölligen Nagels an einen Brückenpfosten geschlagen, bevor er die Sprengkapsel einsetzte. Er war Spezialist auf diesem Gebiet, und seine Kameraden wußten, daß eher der Himmel einstürzen würde, als daß eine Sprengladung versagte, die dieser kleine, schmalgliedrige Oberkellner aus dem Hotel Stadtkrone in Stuttgart anlegte.
Die Gesichter der Männer waren von einer stumpfen Teilnahmslosigkeit gezeichnet. Es waren die Gesichter von jungen, kräftigen Soldaten, für diese Nacht mit Ruß geschwärzt, damit es keine hellen Flecke gab, wenn sie irgendwo, ein paar Meter von einem feindlichen Posten entfernt, lagen und darauf lauerten, ihn zu überwältigen. Man konnte ihre Züge nicht erkennen. Sie sprachen nur wenig miteinander. Es gab nicht viel zu sprechen. Die Aufgaben waren verteilt. Jeder wußte, was er zu tun hatte. Sie hatten eine Woche lang an einem Sandkasten das Gelände kennengelernt, in das sie abgesetzt wurden; sie hatten alle Einzelheiten des gefährlichen Unternehmens dutzendmal exerziert, sie kannten aus den Luftaufnahmen der Aufklärer jede Bodenerhebung, jeden Wasserlauf und jedes Versteck in dem Gelände, das sie anflogen. Sie waren gut genährt und ausgerüstet. Sie beherrschten alles, was nötig war, um ein Unternehmen wie dieses auszuführen. Sie beherrschten nicht nur ihre eigenen Waffen, sondern auch die, mit
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